Abbildung 3: Maivogel Raupengespinste an Fraxinus excelsior, Chiemgauer Alpen, 23. Juli 2025. (Foto: Annette Schulten)
Zusammenfassung: In diesem Artikel wird an Hand einer vom Aussterben bedrohten Art aufgezeigt, dass durch das ehrenamtliche Engagement besondere Neuentdeckungen in den Bayerischen Alpen und eine genaue Vorkommensanalyse mit ein bisschen Beistand der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Website Tagfalter in Bayern möglich ist. Deren ehrenamtliches Engagement soll dabei auch näher aufgeführt werden. Diese besondere Art ist der Eschen-Scheckenfalter (Euphydryas maturna) ein Flaggschiff und Leitart des Naturschutzes von lichten Wäldern (Mittelwälder, in Osteuropa auch natürliche Auenlandschaften) in Mittel- und Osteuropa (vgl. u.a. Vrabec et al. 2019, Straka 2020, John et al. 2021 und Mihei et al. 2021). Sie ist sowohl national als auch regional vom Aussterben bedroht und europarechtlich durch die FFH-Richtlinie geschützt. In Bayern gab es nur noch Nachweise aus den Mittelwäldern des südlichen Steigerwalds und aus dem Salzach-Hügelland rund um Bad Reichenhall. Aus den Bayerischen Alpen waren keine gesicherten Nachweise mehr bekannt. Der Letztnachweis erfolgte 1991. Die ersten Entdeckungen erfolgten für die Berchtesgadener Alpen schon 2016 durch Salzburger Entomologen im Tal der Bischofswiesener Ache, aus den Chiemgauer Alpen waren seit Anfang der 1960er Jahre keine Populationen mehr bekannt.
Nun kommt die Erstautorin Annette Schulten ins Spiel, die durch Zufall erst an zwei Stellen Imagines im Gebiet rund um den Teisenberg fand. Durch engem Austausch mit dem Zweitautoren Oliver Böck, der ihr u.a. Fotos von Gespinsten der Art zukommen ließ und einige Tipps bei der Suche gab, begann sie in der weiteren Umgebung unermüdlich nach Gespinsten Ausschau zu halten, diese pflegte sie größtenteils fototechnisch dokumentiert bei unserem Portal ein. Bei einer gemeinsamen Exkursion konnte sie zusammen mit dem Zweitautoren eine zweite größere Population entdecken, sie fand zudem eine Satellitenpopulation sowie einzelne Gespinste in der weiteren und näheren Umgebung sowie im zwei Gespinste um Zinnberg-/Sulzschneidmassiv. Die Hauptpopulation dürfte im Moment die größte in Bayern sein. Bis auf rund 1080 m üNN konnten Reproduktionsnachweise von der Erstautorin ermittelt werden. In diesem Artikel werden die Entdeckungsgeschichte, die Habitate, die Kartierungsergebnisse der Hauptautorin und mögliche Schutzmaßnahmen für die Art besprochen, diese wurden vom zweiten Autoren durch eigene langjährige Expertise zur Art und Literaturrecherche ermittelt. Für die Art läuft im Landkreis Berchtesgaden mittlerweile seit 2024 ein Artenhilfsprogramm (AHP) für das Tal der Bischofswiesener Ache und die Populationen im Bad Reichenhaller Becken auch hierzu gibt es nähere Informationen. Die aktuellen Gefährdungsursachen für die Mittelwälder im südlichen Steigerwald werden genannt.
Summary: This article uses an endangered species as an example to show that volunteer work can lead to special new discoveries in the Bavarian Alps and a precise analysis of occurrence with a little assistance from the volunteers of the Tagfalter in Bayern website. Their volunteer work will also be described in more detail. This particular species is the ash-brown hairstreak (Euphydryas maturna), a flagship and keystone species for the conservation of open forests (middle forests, and in Eastern Europe also natural floodplain landscapes) in Central and Eastern Europe (see, among others, Vrabec et al. 2019, Straka 2020, John et al. 2021, and Mihei et al. 2021). It is threatened with extinction both nationally and regionally and is protected under European law by the Habitats Directive. In Bavaria, there were only records from the coppice forests of the southern Steigerwald and from the Salzach hills around Bad Reichenhall. There were no longer any confirmed records from the Bavarian Alps. The last record was in 1991. The first discoveries in the Berchtesgaden Alps were made in 2016 by entomologists from Salzburg in the Bischofswiesener Ache valley; no populations had been known in the Chiemgau Alps since the early 1960s.
Now the lead author, Annette Schulten, comes into play. She happened to find imagines in two locations in the area around Teisenberg. Through close collaboration with the second author, Oliver Böck, who sent her photos of the species‘ webs and gave her some tips on how to search for them, she began tirelessly searching for webs in the wider area, most of which she documented with photos on our portal. During a joint excursion, she and the second author discovered a second larger population. She also found a satellite population and individual webs in the wider and closer vicinity, as well as two webs around the Zinnberg/Sulzschneid massif. The main population is likely to be the largest in Bavaria at present. The first author was able to find evidence of reproduction up to around 1080 m above sea level. This article discusses the history of the discovery, the habitats, Annette Schulten`s mapping results, and possible conservation measures for the species, which were determined by the second author, based on his own long-standing expertise on the species and literature research. A species conservation program (AHP) for the species has been running in the Berchtesgaden district since 2024 for the Bischofswiesener Ache valley and the populations in the Bad Reichenhall basin; more detailed information is also presented. The current causes of endangerment for the coppice forests in the southern Steigerwald are mentioned.
Der Maivogel (Euphydryas maturna) ist in Bayern (Voith et al. 2016) und auch bundesweit (Musche et al. 2025) vom Aussterben bedroht. Als Habitat dienen in Nordbayern warme und luftfeuchte eschenreiche aktiv bewirtschaftete Mittelwälder, wie sie nur noch großflächig im Südlichen Steigerwaldes existieren. Dort konzentriert sich die Art auf eine Metapopulation im NSG Gräfholz-Dachsberg und die umliegenden Waldgebiete wie etwa bei Humprechtsau und den Stadtwald von Bad Windsheim. Ein Vertragsnaturschutzprogramm für den Wald (VNP Wald) sichert die Aufrechterhaltung der Bewirtschaftung, aber zunehmende Verbuschung mit Schlehen, trockene Sommer mit Austrocknung von Feuchtflächen und das Eschentriebsterben sind auch für dieses Vorkommen eine Bedrohung (Fischer 2017, Dolek et al. 2018, eigene Beobachtung Böck). Obwohl die Art auch Anpassungsstrategien für trockene Jahre entwickelt hat und dort auch andere Pflanzen vor der Überwinterung wie Veronica longifolia zum Fressen nutzt (Mayer 2020 und Steiner et al. 2022), sind die Bestände in den letzten beiden Jahren (2024/2025) auf sehr niedrigem Niveau und ein baldiges Aussterben zumindest von Satellitenpopulationen steht zu befürchten. Nachsuchen im ehemals gut besiedelten Ezelheimer Mittelwald waren zuletzt erfolglos. Die Art ist bekannt für ihre Populationsschwankungen, aber die Vorkommen scheinen trotz der Naturschutzmaßnahmen derzeit kaum davon zu profitieren. Ein weiteres Problem ist das sehr hohe Besucheraufkommen im NSG Gräfholz-Dachsberge. Dort wurden schon Möglichkeiten einer Besucherlenkung diskutiert, da sich ein Teil der Besucher (geringer Anteil) nicht an Wegegebote hält und somit auch die empfindliche Vegetation vor Ort teilweise in Mitleidenschaft gezogen wird. Dieses Jahr waren auch „Interessierte“ mit Keschern aus den Beneluxstaaten unterwegs, deshalb wird bei dieser Publikation darauf verzichtet genaue Fundorte in den Chiemgauer Alpen zu nennen, denn diese sind den ausführenden Umweltbehörden bekannt.
Auf feuchten Kahlschlägen und Waldinnensäumen entlang von Waldwegen im Hügelland, gestuften Waldaußenrändern entlang von Streuwiesen und in Windwurfflächen der Saalachauen bei Marzoll kommt die Art lokal im Raum Bad Reichenhall vor. So sind zum Beispiel auf den Kahlschlägen im Gebiet des Högl (Abbildung 5) nur äußerst geringe Individuendichten und wenige Gespinstfunde zu beobachten. Dort scheint sich aber durch vereinzelte Kahlschläge, vor allem in den letzten Jahren, die Situation verbessert zu haben. Auf dem Truppenübungsplatz Kirchholz wurden Imagines im zweistelligen Bereich gefunden (Dumke), leider darf dieser nicht mehr betreten werden. Es besteht eine Verbindung zu Vorkommen im Bundesland Salzburg, so z. B. auf Flächen im Umfeld des Untersbergs beim Freilichtmuseum, wo Euphydryas maturna teilweise die häufigste Art ist (eigene Beobachtung Böck). Sie ist laut aktueller Roter Liste für das Bundesland Salzburg dort nur noch stark gefährdet, da in den letzten 20 Jahren neue Populationen entdeckt wurden. Die Art ist aber nur lokal verbreitet und die Habitate sind nicht großflächig, am Untersberg war sie Zielart eines Life Natur Projektes. (https://www.sciencevision.at/de/produktionen/schmetterlingsland-am-untersberg/,Gros 2023).
Die Vorkommen im Bad Reichenhaller Becken befinden sich geografisch im Salzach-Hügelland und somit noch im Alpenvorland, deshalb wurde Euphydryas maturna in der letzten Roten Liste für Bayern (Voith et al. 2016) für den Alpenraum als ausgestorben angesehen. Der Letztfund aus den Chiemgauer Alpen stammt vom Thumsee von 1991. Aus den Berchtesgadener Alpen sind nur Altnachweise von vor 1970 bekannt.
Die ersten Wiederfunde für die Bayerischen Alpen gelangen im Umfeld im Bischofswiesener Achental auf Kahlschlägen durch Salzburger Entomologen 2016 (mündl. Mitt. Henrik Klar-Weiß). Diese gehören geografisch schon zu den Berchtesgadener Alpen. Beim Aufsuchen von vier Flächen (zwei mit Nachweisen, zwei höher gelegene Bereiche) zusammen mit Benjamin Morawietz konnte am 22.6.2025 kein Falternachweis erbracht werden. An den beiden Nachweisflächen (Abbildung 6) war es wahrscheinlich zu spät für die Flugzeit und die höher gelegenen Flächen waren fast gänzlich frei von Eschen. Derzeit läuft ein Artenhilfsprogramm (AHP) der Regierung von Oberbayern, das sowohl die Kartierung der bekannten Flächen bei Bad Reichenhall, als auch die Nachsuche im Tal der Bischofswiesener Ache beinhaltet. Hier konnte 2025 eine gute Gespinstdichte festgestellt werden, diese ist aber weiter im Gebiet verteilt und es gibt keine Hotspots. Parallel dazu läuft eine Masterarbeit von Christopher Schöndorfer, die sich mit der Gentik der Art vornehmlich auseinandersetzt. Diese befindet sich kurz vor der Fertigstellung (mdl. Mitt. Henrik Klar-Weiß).
Besonders erfreulich sind die Neunachweise der Erstautorin aus den Chiemgauer Alpen im Landkreis Traunstein bei Inzell. Die meisten der Altnachweise stammen noch von Ludwig Wihr senior. Die Art galt deshalb für den Landkreis seit Ende 1950er/Beginn der 1960er Jahre als ausgestorben, denn ausgiebige Nachsuchen durch Geissner zu Beginn der 1990er Jahre hatten keinen Erfolg. Annette Schulten meldete am 17.6.2025 den ersten Wiedernachweis und zwei weitere Imaginalnachweise am 26.6. und am 27.6. bei unserem Portal Tagfalter in Bayern.
Daraufhin nahm der Zweitautor Oliver Böck Kontakt zu ihr auf und gab ihr ein paar Informationen hinsichtlich der Gespinstsuche, der Bestimmung und nach möglichen potentiellen Habitaten in der Umgebung mittels Luftbildrecherche. Daraus entstand ein regelmäßiger Kontakt der auch eine gemeinsame Exkursion beinhaltete. Sämtliche Datensätze wurden wie üblich von unserem Expertenteam geprüft, eine der vielen Aufgaben die bei einer Pflege eines Portals wie Tagfalter in Bayern anfallen. Jeder der neun Projektkoordinatoren ist beruflich (teils im Naturschutz, teils in anderen Berufsfeldern) oder universitär stark eingebunden. Trotzdem versuchen sie in ihrer Freizeit eigene Daten zumeist von seltenen Arten oder aus nicht so gut frequentierten Regionen zu erheben. Die Datenprüfung aus anderen Meldeportalen (Observation Inaturalist, Lepiforum oder teilweise Naturgucker (hier nur Daten mit Fotobeleg oder von erfahrenen Meldern)) bereitet am meisten Arbeit. Denn bei uns werden wirklich alle Datensätze geprüft auch die aus dem Meldeportalen nochmals. Dadurch ist die Datenlage bei vielen expandierenden und seltenen Arten deutlich besser als in den Datenbanken der Behörden. Die Aktualisierung des Blogs und eigene wissenschaftliche Veröffentlichungen sind ebenfalls arbeitsintensiv.
Durch über Jahre hin erworbenen persönliche Kontakte des Zweitautors und auch der Hilfe der Erstautorin konnten alle wichtigen Akteure vor Ort (UNB und Gebietsbetreuung Landkreis Traunstein, LfU Bayern, Biodiversitätsberatung Regierung von Oberbayern und Landkreis Berchtesgaden) über die Funde sehr schnell informiert werden, womit schnellere Maßnahmen vor Ort generiert werden können. Eine Karte mit den Funden wurde an alle beteiligten Akteure weitergeleitet (Ähnlich bei anderen besonderen Funden wie Polyommatus damon in den Allgäuer Hochalpen oder Satyrium ilicis bei Mühldorf).
Während die Flugzeit von Euphydryas maturna im Bad Reichenhaller Becken je nach Frühjahrswitterung mittlerweile Ende Mai/Anfang Juni beginnt, startet sie im Raum Inzell rund eineinhalb bis zwei Wochen später, da die Habitate auch deutlich höher liegen. Noch am 26.6. flogen die Falter in beiden Geschlechtern, wenn auch schon deutlich gezeichnet in einer zweistelligen Individuenanzahl. Sechsjährige Untersuchungen in den Östlichen Kalkalpen in Österreich zeigen eine Flugzeit von 20.6. bis 7.7. von 2014 bis 2019 auf 670-750 m üNN (Straka 2020). Im Bad Reichenhaller Raum eigene Beobachtungen von 440-560 m üNN. Die Flughöhe im Teisenberggebiet weist eine deutlich größere Höhenamplitude von rund 340 Metern auf, mit dem Höchstfund auf 1080 m üNN . An dem einzigen Fundort in Italien in den italienischen Südwestalpen finden sich die Habitate zwischen 1030-1320 m üNN (Dolek et al. 2013). Die Gespinste im Untersuchungsgebiet befanden sich an Fraxinus excelsior die meist in südwestlicher bis -östlicher Exposition standen. Insgesamt konnte die Erstautorin 128 Gespinste im Teisenberggebiet und zwei im Zinnkopf/Sulzbergschneidmassiv finden. Davon befinden sich 111 Gespinste im Landkreis Traunstein und 19 im Landkreis Berchtesgaden Land. Die Funde der Gespinste fanden zwischen dem 22.7. und 7.9. 2025 statt.
Besiedelt wird zum einen ein Feuchtwald aus Eschen (Fraxinus excelsior), Schwarzerlen (Alnus glutinosa), Weiden (Salix spec.) und Traubenkirsche (Prunus padus) mit angrenzender Streuwiese. Zwischen der Streuwiese und dem Wäldchen fließt ein Quellbach, der von zwei wieder frei gelegten Hangquellen gespeist wird. Als Nektarpflanze wird dort der Arznei-Baldrian (Valeriana officinalis) genutzt. Ein Larvalnachweis konnte entlang eines luftfeuchten Waldweges in der Nähe gemacht werden (Abbildung 9). Bei diesem Vorkommen scheint es sich um eine Satellitenpopulation zu handeln, die weitflächiger verteilt zu sein scheint. Bis jetzt wurden dort drei Gespinste gefunden. Rund 1,3 Kilometer südlich davon Fund von zwei Gespinsten.
Teilaspekte des zweiten deutlich größeren Vorkommens werden in Abbildung 7 und 8 gezeigt. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Feuchtwald in der Nähe eines Bachlaufs, aber auch um lichte besonnte Waldwege mit feuchten Quellhorizonten. Wahrscheinlich kann die Art auch noch in einigen kleineren Waldschlägen beobachtet werden, die bis jetzt noch nicht genauer untersucht sind. Dies ist im Moment die Kernpopulation, dort und in der näheren Umgebung gelangen der Erstautorin auch zahlreiche (n=92) Gespinstnachweise und auch noch drei Eigelege der Art konnten beobachtet werden. Im Gebiet liegt auch der aktuell höchste Präimaginalnachweis in Deutschland mit rund 1080 m üNN. Zwei weitere Funde über 950 m üNN. Die meisten der Beobachtungen aber zwischen 760 bis 860 m üNN. Die Gespinste finden sich in unterschiedlichen Ablagehöhen, Meist wurden jüngere niedrige Eschen belegt in einer Höhe ab 0,8 Metern, aber auch Gespinste auf höheren Bäumen in bis über acht Metern Höhe konnten angetroffen werden, an einer Esche insgesamt sogar 6 Gespinste. Die durchschnittliche Höhe der Gespinste lag bei n= 39 auf 1,9 Metern Höhe. Bei den Untersuchungen von Straka (2020) in Österreich konnten die Gespinste an Eschen zwischen 0.9 und 25 Metern Höhe nachgewiesen werden, wobei eine mittlere Ablagehöhe von 6,5 Metern bei n = 334 Gespinsten bestand, er fand dort maximal sieben Gespinste an einer Pflanze. Der Erstnachweis für die Hauptpopulation wurde aber am 22.6. hier gemeldet, aber erst später an die Hauptautorin weitergeleitet: https://www.inaturalist.org/observations/291842525.
Beide Autoren konnten in den Chiemgauer Alpen eine weitere Population in ca. drei Kilometern Entfernung zur Hauptpopulation nachweisen (Abbildung 12). Diese befindet sich bereits im Landkreis Berchtesgaden in 750-790 m üNN und entspricht demselben Habitatschema wie schon an den anderen Stellen der Region. Insgesamt gelang der Nachweis von 15 Gespinsten. Die durchschnittliche Höhe der Gespinste lag bei n= 14 auf 2,6 Metern Höhe. Die Erstautorin konnte die Art außerhalb dieser Stellen noch an zwei weiteren im Landkreis Berchtesgaden Land und an zwei Stellen im Landkreis Traunstein im Teisenbergmassiv nachweisen, dort aber nur einzelne (eins bis vier) Gespinste. Diese befinden sich im Landkreis Traunstein in ca. in 3,5 bis 5 Kilometern zur Hauptpopulation und im Landkreis Berchtesgaden in 2,5 bis 3,5 Kilometer Entfernung zur zweiten größeren Population.
Aktuelle Funde von zwei Gespinsten konnte die Erstautorin im Zinnkopf-/Sulzbergschneidmassiv machen (Abbildung 11), dort bestehen ähnliche gute Grundvoraussetzungen wie im Teisenberggebiet. Auch dort gibt es viele Quellhorizonte und luftfeuchte Wälder mit Eschenbeständen, diese sind aber teilweise nicht licht genug für eine Besiedelung.
Ob es sich um unentdeckte Populationen oder um eine Zuwanderung aus der Bad Reichenhaller Gegend handelt, ist unklar. Wahrscheinlicher ist es aber das die Art dort schlichtweg übersehen wurde aus folgenden Gründen:
es waren in der Region in den letzten Jahrzehnten kaum mehr Entomologen aktiv
kein Populationsdruck im Bad Reichenhaller Raum, dadurch abwandernde Tiere sehr unwahrscheinlich, Zuwanderung vom Untersberg (Bundesland Salzburg) noch unwahrscheinlicher.
Vitalität der aktuellen Kernpopulation und Neufunde auch in der Umgebung
Abbildung 4: Verbreitungskarte: Aktuelle Verbreitung von Euphydryas maturna in Südostbayern, Schwarze Kreise: aktuelle Nachweise nach 2020, Graue Kreise: Nachweise nach 2000, Weiße Kreise: Altnachweise bis 1970 ABE-Datenbank, Weiße Rechtecke: Altnachweise bis 1970 Atlas Tagfalter in Bayern.
Die Art ist trotz Schutzmaßnahmen weiterhin vom Aussterben bedroht. Im Raum Bad Reichenhall von der Streuwiesenpflege, Windwurfflächen in Auen, und von der Kahlschlagbewirtschaftung abhängig. ebenso im Bischofswiesener Achental von Kahlschlägen und dem Erhalt stufiger Waldinnen- und Waldaußensäume in feuchten eschenreichen Wäldern. Für die Populationen in den Chiemgauer Alpen gibt es Dank ehrenamtlicher Grundlagenerhebung der Autorin ein genaues Verbreitungsgebiet in beiden Landkreisen. Deshalb wäre es wichtig das AHP für Euphydryas maturna im Bad Reichenhaller Raum auch auf das Teisenberggebiet auszuweiten, denn nur in dieser Gesamtregion besteht ein großes Potential zum langfristigen Erhalt der Art in Bayern, nachdem die Bestände im südlichen Steigerwald trotz intensiver Pflege auf einem langjährgen Tiefpunkt sind und ein hohes Aussterbepotential haben.
Eine wichtige Maßnahme zur Erhaltung der Art rund um den Teisenberg, die natürlich mit den zuständigen Forstbehörden abgestimmt werden muss, ist die Pflege der Waldinnensäume entlang von Wegen mit Quellhorizonten oder Gebirgsbächen um das Eschenwachstum zu fördern. Abgestufte Innensäume teilweise mit Buchten entlang der Wege und Flußläufe werden bei der Eiablage präferiert. Desweiteren werden auch Waldaußensäume hin zu Streuwiesen als Reproduktionshabitat genutzt, auch hier muss bei der Pflege auf randständige Eschen und eine stufenförmige Waldrandgestaltung geachtet werden. Die Art findet sich in der Region auch des Öfteren auf kleineren Kahlschlägen mit Eschenaufwuchs. Eine Entwicklung kleinerer Kahlhiebe an luftfeuchten Standorten mit Gebirgsbächen oder Quellhorizonten in der Nähe sollte angestrebt werden, auch wenn dies der Praxis des natürlichen Waldbaus entgegenläuft. Als Lichtwaldart ist sie auf Waldlückensysteme dringend angewiesen, bei einer Schließung und keiner gleichzeitigen Entstehung neuer Habitate in der näheren Umgebung verschwindet auch die Art. Bei der Pflege der Wegränder (Mulchung, Mahd) muss dringend auf jüngere Eschen geachtet werden, da die Gefahr besonders während der Gespinstphase groß ist, dass dadurch ein nicht unerheblicher Teil der Raupen vernichtet wird. Eine Förderung der Esche an luftfeuchten Standorten ist eine weitere Option zur Stützung der Populationen. Für das Bundesland Salzburg nannte Gros 2023 die Erstellung eines Artenschutzprogramms und eines Monitorings für alle Populationen als dringendste Punkte. Diese Punkte sollten ebenfalls auf alle Vorkommen in den bayerischen Alpen übertragen werden. Im Gebiet Zinnkopf/Sulzbergschneid könnten neu gestaltete kleinere Öffnungsmaßnahmen eine weitere Besiedelung ermöglichen. Ähnliches gilt für den nordwestlichen und den nördlichen Teil des Teisenbergs, wo lichte Waldbereiche auch deutlich unterrepräsentiert sind. Das Gesamtpotential dieser beiden Gebiete zur Erhaltung der Art ist riesengroß und kann in einem größeren eigenständigen Projekt, wie beim Life Natur Projekt Untersberg Vorland, deutlich vergrößert werden.
Erste Schutzmaßnahmen für die Populationen im Bad Reichenhaller Talkessel sowie im Tal der Bischofswiesener Ache laufen gerade, unter anderem in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Waldgenetik und den Bayerischen Staatsforsten (mdl. Mitt. Henrik Klar-Weiß).
Meldungen der Art im Portal sind immer gerne erwünscht.Unser besonderer Dank vom ganzen Team der ABE gilt Annette Schulten für die Meldungen, Fotos und den sehr guten fachlichen Austausch in den letzten Wochen. Eine genaue Kartierung wie sie sie durchführt hat, wäre durch ein Planungsbüro gerade unter den gerade vorherrschenden finanziellen Bedingungen im Naturschutz nicht bezahlbar gewesen. Bei einem Stundensatz von zwischen 50 bis teilweise über 100 Euro, kann man sich ausrechnen welche Leistung Annette Schulten an 20 Tagen im Gelände zwischen dem 22.7. und dem 13.9. bei der Gespinstsuche erbracht hat. Nicht mit eingerechnet die Imaginalsuche und die Tage an denen sie unter anderem auch einen Wiedernachweis des Dukatenfalters (Lycaena virgaureae) für die Chiemgauer Alpen nach 59 Jahren erbrachte. Zudem bekam sie auch keine Kilometerpauschale, keine Bezahlung für die Dateneingabe und die Erstellung eigener Karten. Dies soll hier nur einmal zur Veranschaulichung dienen und auch einmal besondere Erwähnung finden. Sie war was die Verbreitungskarte nicht zeigt, an vielen anderen Stellen in den beiden Landkreisen unterwegs und hat vergeblich nach der Art gesucht.Der große Dank gilt auch den zahlreichen anderen Meldern auf unserem Portal, die in ihrer Freizeit ebenfalls wunderbare Daten liefern und so zur Aktualität der Website erheblich beitragen.
Eine Veröffentlichung mit Frau Schulten als Hauptautorin ist für Ende des Jahres in den Beiträgen zur bayerischen Entomofaunistik durch die ABE geplant. Des weiteren gilt der Dank Henrik Klar-Weiß den Biodiversitätsberater im Landkreis Berchtesgaden, sowie dem Biodiversitätsberater Björn Hauschildt von der Regierung von Oberbayern für die sehr gute Kooperation.
Abbildung 5: Euphydryas maturna Larvalhabitat im Mittelwald, Luftfeuchte Lichtung mit Pfeifengrasbeständen, Weibchen bei der Eiablage, NSG Gräfholz-Dachsberge, südlicher Steigerwald, 17. Juni 2019. (Foto: Oliver Böck)
Abbildung 6: Imaginal- und Larvalhabitat, Umgebung Piding, 6. Juni 2024. (Foto: Oliver Böck)
Abbildung 7: Mögliches Larvalhabitat, ein Kahlschlag bei Bischofswiesen, Faltersichtung in der unmittelbaren Umgebung, 22. Juni 2025. (Foto Oliver Böck)
Abbildung 8: Höher gelegenes Larvalhabitat, Waldweg mit Auflichtungen und Quellhorizonten auf 870m üNN, Chiemgauer Alpen, Landkreis Traunstein, 23. Juli 2025. (Foto: Annette Schulten)
Abbildung 9: Larvalhabitat entlang eines Flußlaufes, Chiemgauer Alpen. Landkreis Traunstein, 23. Juli 2025. (Foto: Annette Schulten)
Abbildung 10: Larvalhabitat der zweiten aber deutlich kleineren Satellitenpopulation, Chiemgauer Alpen. Landkreis Traunstein, 23. Juli 2025. (Foto: Annette Schulten)
Abbildung 11: Larvalhabitat in lichteren Waldbereichen entlang einer Forststrasse des Gebiets Zinnkopf/Sulzbergschneid, 1. September.2025. (Foto Annette Schulten)
Abbildung 12: Larvalhabitat der zweiten größeren neuentdeckten Population, an dieser Stelle 7 Gespinste, Chiemgauer Alpen. Landkreis Berchtesgaden Land, 6. August 2025. (Foto: Oliver Böck)
Literatur:
Dolek, M., Hager, A., Geyer, A., Balletto, E. & Bonelli, S. (2013): Multiple oviposition and larval feeding strategies in Euphydryas maturna (Linné, 1758) (Nymphalidae) at two disjoint European sites. Journal of Insect Conservation. 17. 357-366. 10.1007/s10841-012-9516-x.
Dolek, M.; Kőrösi, Á. & Freese-Hager, A. (2018): Successful maintenance of Lepidoptera by govern ment-funded management of coppiced forests. – Journal for Nature Conservation 43: 75–84. – DOI: https://doi.org/10.1016/j.jnc.2018.02.001
Gros, P. (2023): Rote Liste der Tagfalter Salzburgs – Evaluierung des Gefährdungsstands der in Salzburg nachgewiesenen Tagfalterarten, Datenstand 2021 – Naturschutzbeitrag 45/23: S 1-74
Fischer, U., Dolek, M., Bolz, R., & Kurtz M. (2017): Zur Situation des Eschen-Scheckenfalters (Euphydryas maturna Linnaeus, 1758) (Lepidoptera) in Deutschland – ein Beitrag zur Biologie, Verbreitung, Gefährdung und Artenhilfe – Entomologische Nachrichten und Berichte – 61: 181 – 196.
John, V., Pavlíčko, A., Vrabec, V., Rybová, V., Andres, M., & Konvicka, M. (2021). Cyclic abundance fluctuations in a completely isolated population of Euphydryas maturna. Nota Lepidopterologica. 44. 213-222. 10.3897/nl.44.69153.
Mayer, S. (2020): Der Eschenscheckenfalter (Euphydryas maturna Linnaeus, 1758) (Lepidoptera, Nymphalidae) in Baden-Württemberg – Biologie der Präimaginalstadien, Gefährdungsursachen und Schutzmaßnahmen. – Carolinea 78: 43-71.
Mihai, S., Vizauer, T.C., Iorgu, E. & Iorgu, I. Ș. (2021). New data on the distribution of the threatened Scarce fritillary, Euphydryas maturna (Lepidoptera: Nymphalidae), in southern Romania. Travaux du Muséum National d’Histoire Naturelle “Grigore Antipa“Antipa”. 64. 95-100. 10.3897/travaux.64.e70022.
Musche, M.; Albrecht, M.; Becker, J.; Bittermann, J.; Blanckenhagen, B. von; Böck, O.; Caspari, A.; Caspari, S.; Dolek, M.; Harpke, A.; Hermann, G.; Joger, H.G.; Kolligs, D.; Lange, A.; Müller, D.; Nunner, A.; Pollrich, S.; Reinelt, T.; Rennwald, E.; Schmitz, O.; Schönborn, C.; Schulze, W.; Schurian, K.; Strätling, R.; Wachlin, V. & Wiemers, M. (2025): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter und Widderchen (Lepidoptera: Papilionoidea & Zygaenidae) Deutschlands – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (11): 93 S.
Steiner, A., Böck, O., Freese-Hager, A. &Dolek, M. (2022): Aktueller mitteleuropäischer Neunachweis des Langblättrigen Ehrenpreises (Veronica longifolia L.) als Raupennahrungspflanze des Maivogels (Euphydryas maturna Linnaeus, 1758) in Bayern). (Insecta: Lepidoptera: Nymphalidae) – Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik – 21: 101 – 107.
Straka, U. (2020): Ökologie des Eschen-Scheckenfalters (Euphydryas maturna) anhand einer Population in den Östlichen Kalkalpen in den Jahren 2014–2019. Beiträge zur Entomofaunistik 21: 33-67
Voith, J., Bräu, M., Dolek, M., Nunner, A. & Wolf, W. (2016): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter (Lepidoptera: Rhopalocera) Bayerns. Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU Bayern), 19 S.
Vrabec, V., Bubová, T., Kulma, M., Krása, A. & Nowicki, P. (2019). How Euphydryas maturna survived extinction in the Czech Republic: status of a relic population after intensive conservation management. Journal of Insect Conservation. 23. 10.1007/s10841-019-00145-x.
Abb. 1: Weibchen von Polyommatus damon, Allgäuer Hochalpen, Höfatswanne, 13.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)
Abb. 2: Männchen von Polyommatus damon, Allgäuer Hochalpen, Traufbachtal, 6.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)
Zusammenfassung: Meldeportale wie https://www.inaturalist.org/, https://observation.org/, https://naturgucker.de und auch das Lepiforum (https://lepiforum.org/) bieten vielen Naturbegeisterten und Naturfotografen die Möglichkeit ihre Funde von Experten an Hand von Fotos bestimmen zu lassen, hierbei ergeben sich immer wieder sensationelle Neu- oder Wiederfunde wie aus verschiedenen Publikationen zur Kleinschmetterlingsfauna in Bayern nachgewiesen werden konnte (vgl. z.B. Arbeitsgemeinschaft Microlepidoptera in Bayern 2024). Bei den gut untersuchten Tagfaltern sind solche Funde natürlich seltener, aber wie in diesem Fall kann auch eine bayern- und bundesweit vom Aussterben bedrohte Art in einem neuen Naturraum nachgewiesen werden. Der Große Esparsetten-Bläuling (Polyommatus damon) ist in Mittel- und Osteuropa sehr stark im Rückgang begriffen und droht nun auch in Tschechien auszusterben. Der Letztnachweis erfolgte dort 2019 (Skala et al. 2023). Als ausgestorben gilt die Art in der Slowakei, Polen, Rumänien und Ungarn. In Österreich nur noch Metapopulationen in den Tiroler Alpen und Einzelnachweise aus dem Burgenland und Niederösterreich. In Oberösterreich vermutlich ausgestorben (Groß & Hauser 2014). In Deutschland auf Thüringen Truppenübungsplatz Ohrdruf und Umgebung https://www.tagfalter-thueringen.de/beobachtungen) und Thüringische Rhön (Wiederfund durch Einachweise nach 6 Jahren. mdl, Mitt. Sebastian Vogel), Baden-Württemberg (Mittlere Schwäbische Alb und Ostalb, vielerorts bedeutende Bestandsrückgänge zu verzeichnen) und Bayern beschränkt, dort nur noch im Grabfeld, der Vorrhön und in niedriger Populationsdichte in der Fränkischen Alb. Näheres dazu in der Veröffentlichung von Oliver Böck: https://blog.schmetterlingebayern.de/2024/02/29/gefaehrdungslage-der-streifenblaeulings-polyommatus-damon-in-bayern/, Böck (2022) sowie Sucháčková Bartoňová et al. (2021). Umso erfreulicher war der Neufund dieser Art in den Allgäuer Hochalpen. Einem Hinweis auf die Art gab eine Meldung auf inaturalist.org. Herbert Stadelmann wurde bei einer Nachsuche an zwei Stellen fündig, in der Höfatswanne und im Traufbachtal. Insgesamt 3 Männchen und 3 Weibchen konnten dabei festgestellt werden. Neben den schon in der Literatur bekannten Raupenfutterpflanzen Futter- und Sand-Esparsette (Onobrchis viciifolia und O. arenaria) konnte für Bayern erstmals die Berg-Esparsette (Onobrychis montana) als Eiablagemedium bestätigt werden. 2025 wurden daraufhin nochmals ein paar Stellen nachkontrolliert. Oliver Böck fand im Traufbachtal insgesamt sechs Männchen und Felix Steinmeyer beobachtete die Art mit Benjamin Schmid und Johannes Honold zwischen Rotem Loch und dem Seilhenker im Höfatsmassiv. Zwei Männchen und vier einzeln abgelegte Eier konnten sie an Berg-Esparsette (Onobrychis montana) nachweisen. In diesem Artikel wird auf die aktuelle Verbreitung der Art sowie ihrer Raupenfutterpflanze eingegangen, deren Verbreitung in den Nördlichen Kalkalpen ebenfalls besser durch die Meldeportale und Literaturrecherche eruiert werden konnte und die nun erstmals sicher in beiden Jahren als Eiablagemedium für Bayern nachgewiesen wurde
Abstract: Biological portals such as https://www.inaturalist.org/, https://observation.org/, https://naturgucker.de and also the Lepiforum (https://lepiforum.org/) offer many nature enthusiasts and nature photographers the opportunity to have their findings identified by experts, resulting in sensational new discoveries or re-discoveries, as can be seen from various publications on the moth fauna in Bavaria (see e.g. Arbeitsgemeinschaft Microlepidoptera in Bayern 2024). Such findings are of course rarer among the well-studied butterflies, but as in this case, a species threatened with extinction in Bavaria and nationwide can also be found in a new natural area. The damon blue (Polyommatus damon) is in steep decline in Central and Eastern Europe and is now also at high risk of extinction in the Czech Republic. The last record there was in 2019 (Skala et al. 2023). The species is considered extinct in Slovakia, Poland, Romania and Hungary. In Austria only metapopulations in the Tyrolean Alps and single records from Burgenland and Lower Austria. In Upper Austria probably exstinct (Groß & Hauser 2014). In Germany in Thuringia (Ohrdruf military training area and surroundings https://www.tagfalter-thueringen.de/beobachtungen) and Thuringian Rhön (rediscovery after 6 years, pers. comm. Sebastian Vogel), Baden-Württemberg (Middle Swabian Alb and Eastern Alb where significant population declines have been recorded in many places) and Bavaria, there only in the Grabfeld, the Vorrhön and in low population density in the southern Franconian Alb. For more details, see the publication by Oliver Böck: https://blog.schmetterlingebayern.de/2024/02/29/gefaehrdungslage-der-streifenblaeulings-polyommatus-damon-in-bayern/, Böck (2022) and Sucháčková Bartoňová et al. (2021). The new discovery of this species in the Allgäu Alps was all the more suprising. A report on inaturalist.org gave a hint about the species, Herbert Stadelmann found it in 2024 in two places during a search. A total of 3 males and 3 females were found at the Höfatswanne and in the Traufbach valley. In addition to the caterpillar food plants already known in the literature, the common sainfoin (Onobrchis viciifolia) and the sand sainfoin (O. arenaria), the mountain sainfoin (Onobrychis montana) has been confirmed as an egg-laying medium for the first time in the Federal State of Bavaria. In 2025, a few locations were checked again. Oliver Böck found a total of six males in the Traufbach valley, and Felix Steinmeyer, Benjamin Schmid, and Johannes Honold made a discovery between Rotem Loch and Seilhenker in the Höfats massiv. They found two males and four individually laid eggs on mountain sainfoin (Onobrychis montana). This article discusses the current distribution of the species and its caterpillar food plant, whose distribution in the Northern Limestone Alps was also better determined through reporting portals and literature research and which has now been reliably identified as an egg-laying medium for the federal state of Bavaria for the first time in both years.
Entstehungsgeschichte der Funde
Am 31.07.2023 wurde auf INaturalist eine Meldung im Sperrbachtobel (Allgäuer Hochalpen) von Polyommatus damon (Großer Esparsetten-Bläuling) veröffentlicht. Der Zufallsfund eines Fotografen wurde von den Projektkoordinatoren von Tagfalter in Bayern zufällig entdeckt, da das Foto auch noch Lysandra coridon enthielt, wurde die Meldung als selbiger auch verzeichnet. Ein Schreiben an den betreffenden Melder blieb unbeantwortet und er befand sich auf einer längeren Reise die ihn auch durch Südfrankreich führte, wo die Art stellenweise häufig ist. Die nächste bekannte Beobachtung (von 1995) der Raupenfutterpflanze Berg-Esparsette Onobrychis montana (sehr selten in Bayern, nur in den Allgäuer Hochalpen und am Aggenstein gemeldet und RL 2 Art) befindet sich laut https://www.floraweb.de/shiny/florakarte/?taxonid=3911 nicht weit entfernt in circa 1,7 Kilometer Entfernung am Spätengundkopf. Die Beobachtung könnte ein dispergierendes Männchen gewesen sein, oder auch im Sperrbachtal gibt es eine rezente Population.
Durch Thorben Krauskopf wurde Herbert Stadelmann im Oktober 2024 mitgeteilt, dass ein Video auf YouTube, aufgenommen 2021 im Traufbachtal ein Männchen von Polyommatus damon zeigt, somit gilt nun dieser als erster Fund der Art im Allgäu:
Verbreitung und ehemalige Verbreitung von Polyommatus damon in den angrenzenden Regionen
Die nächsten Beobachtungen von Polyommatus damon stammen aus Tirol in gut 25 Kilometern Entfernung zu den aktuellen bayerischen Nachweisen. Dort im Rosannatal bei Pettneu gefunden, im Inntal relativ weit verbreitet unter anderem bei Landeck, Fließ, Kauns, Serfaus, Fiss, Birkach, Nauders (Pagitz, K. & Huemer, P. (2021), observation.org., Oliver Böck). Desweiteren wird Polyommatus damon in den Hochlagen (entlang des Inns) auch in der Schweiz bis Sankt Moritz (https://lepus.infofauna.ch/carto/31081) gefunden. In Vorarlberg gab es vor 1980 Sichtungen in insgesamt fünf Raumeinheiten, seitdem erfolgte kein Nachweis mehr, sie gilt laut aktueller Roter Liste als ausgestorben (Huemer et al. 2022). Im Bundesland Salzburg kam Polyommatus damon bis 1957 vor (Gros 2023). So ist der Tagfalter auch außerhalb der Allgäuer Alpen in den bayerischen Nördlichen Kalkalpen nicht zu erwarten. Ob die Art bei vorherigen Kartierungen übersehen wurde, oder ob sie bedingt durch den Klimawandel erst in den letzten Jahren zugewandert ist bleibt offen. Gegen eine Zuwanderung spricht, das die Raupenfutterpflanze Onobrychis montana dort zumindest an einigen Stellen in der Alpenbiotopkartierung als häufig genannt wird, der späte Flugzeitbeginn und das äußerst steile Terrain, welches nur schwer begehbar ist. Die Männchen können Mineralien und Flüssiglkeit aufnehmend auf Kiesflächen und auf breiteren nicht asphaltierten Wegstellen entlang der Gebirgsflüsse beobachtet werden. Im Traufbachtal wurde noch keine Nektaraufnahme der Männchen beobachtet, während die Weibchen in der Höfatswanne auf Onobrychis montana saugten.
Verbreitung von Onobrychis montana und verwandten Arten in den Allgäuer Hochalpen und angrenzenden Regionen
Die Berg-Esparsette (Onobrychis montana) kommt in Deutschland nur auf der Mittleren Schwäbischen Alb und in den Allgäuer Hochalpen vor. Die gemeinsame Verbreitungsüberlappung auf der Mittleren Schwäbischen Alb ist nur sehr klein und beschränkt sich aktuell auf das Gebiet um Albstadt-Truchtelfingen und Hohenstein-Oberstetten (https://www.floraweb.de/shiny/florakarte/?taxonid=3911&loadatlas, https://www.schmetterlinge-bw.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=440992). Sichere Eiablagenachweise an Onobrychis montana liegen dort aus beiden Bereichen seit 2019 vor. Polyommatus damon belegt in dieser Region aber auch Onobrychis vicciifolia (schriftl. Mitt. Gabriel Hermann).
Vorkommen von Onobrychis montana in der Umgebung in Nordtirol im hintersten Hornbachtal (Tirol) an mehreren Stellen und ebenfalls auf Kiesen des Hornbachs (Dörr 1983). Hiermit erklärt sich auch das benachbarte Vorkommen (3-5 Kilometer entfernt) im Traufbachtal. Weitere Funde aus Tirol von Onobrychis montana von mageren Mähwiesen, Rinderweiden und Schafweiden im Inntal bei Nauders, Serfaus und von einer großflächigen Rinderweide bei Fiss sowie den Fließer Sonnenhängen (https://observation.org/observation/321305262/, https://observation.org/observation/275745279/, Oliver Böck). Dort sicherlich weit verbreitet. Sie wird in der neuen Roten Liste Nord- und Osttirols als gefährdet (vulnerable) geführt. und kommt zerstreut in 11–35 Quadranten vor, ein starker Rückgang von rund 25-50 Prozent des Verbreitungsgebietes und/ oder die Populationen sind zu verzeichnen. Eine künftige (weitere) Abnahme um 10–25 % ist wahrscheinlich (Pagnitz et al. 2023). Im Pflegeplan für die Fließer Sonnenhänge wurde nur Onobrychis viciifolia genannt (Falkeis et al.2016), bei Bamberger et al. 2022 wird Onobrychis arenaria für diesen Fundort (Fließ) aufgeführt, die beide in den Allgäuer Hochalpen nicht heimisch sind. Funde der Futteresparsette (wahrscheinlich angesalbt) im Allgäu entlang der Bahnstrecke bei Oberstdorf und Fischen, sowie bei Vorderhindelang laut Dörr 1983. Onobrychis arenaria ist in Bayern nur in der Vorrhön und Mainfranken weiter verbreitet, daneben meist nur Einzelnachweise aus dem südlichen Steigerwald, aus der Südlichen Frankenalb und dem Taubertal (https://daten.bayernflora.de/de/info_pflanzen.php?taxnr=3907&suchtext=Onobrychis%20arenaria&g=&de=#name=3907,yearGrouping=1,map=7.5/49.696/10.748).
Aktuelle Verbreitungssituation in den Allgäuer Hochalpen mit Angaben zur Ökologie und den Habitaten
Herbert Stadelmann fand zusammen mit Felix Steinmeyer (Gebietsbetreuer Allgäuer Hochalpen) bei einer Nachsuche 2024 an Plätzen mit Nachweisen der Raupenfutterpflanze Berg-Esparsette insgesamt sechs Individuen der Art in zwei Gebieten, im Traufbachtal und an der Höfatswanne (Abbildungen 1 und 2). Dies sind die nördlichsten Funde in den gesamten Alpen. Oliver Böck beschäftigte sich in dieser Arbeit mit der aktuellen Verbreitungsituation von Polyommatus damon und Onobrychis montana in den Nördlichen Kalkalpen und der Literatursichtung. Eigene Beobachtungen aus Tirol (Inntal zwischen Landeck und Nauders) aus den 1990er und 2010er Jahren flossen dabei mit ein. Zweimal erfolgte eine Begehung des Traufbachtals, 2025 dann auch erfolgreich. Dieser spektakulären Funde zeugen davon, das selbst bei den Tagfaltern durch wissenschaftliche Nachsuchen noch bedeutende Neufunde in den Bayerischen Alpen getätigt werden können.
Eine Nachsuche im Traufbachtal (2,5 Kilometer vom Sperrbachtobel entfernt) am 6.8.2024 durch Herbert Stadelmann und Felix Steinmeyer hatte Erfolg. Sie konnten zwei frisch geschlüpfte Männchen bei der Mineralienaufnahme im Bereich der Vorderen Traufbergalpe zusammen mit Cupido minimus und Arctia artaxerxes beobachten. Hier gibt es laut Dörr & Lippert 2001 ein isolierten kleinen Fundort von Onobrychis montana (Berg Esparsette) auf einer Kiesbank auf 1160m im Traufbachtal, laut Dörr 1983 unterhalb des Bettlerrückens gefunden. Wie in der Alpenbiotopkatierung von Michael Wecker genannt, sind die südseitigen Hänge am Trogschluss des Traufbachtals und vereinzelt Kiesbänke desselben mit der Futterpflanze bestanden.
Bei einer Nachsuche durch Markus Dumke und Oliver Böck am 15.8.2024 konnten lediglich die teilweise intensiv beweideten Hänge im vorderen Bereich bis zur Hinteren Traufbachalpe als Habitat ausgeschlossen und keine Imagines nachgewiesen werden.
Oliver Böck war am 8.8.2025 nochmals im Traufbachtal und konnte an drei Stellen insgesamt mindestens sechs Männchen finden. Ein Männchen wurde bei der Mineralienaufnahme an der Hinteren Traufbergalpe und der Rest in zwei Bereichen des Talabschnittes Höhengern. Meist waren sie bei der Mineralienaufnahme am Boden zu sehen. Trotz eines teilweise guten Blühangebots konnte keine Nektaraufnahme beobachtet werden. An einer Fundstelle waren es insgesamt mindestens vier Männchen. Dabei wurde ein Blatt mehrmals von verschiedenen Männchen als Revieransitz und zur Aufnahme von Blattausscheidungen (Dung- oder Mineraldüngerausbringung oder Kuhurin?) genutzt und auch verteidigt (Abbildungen 3 bis 5). Teile des Flussbetts des Traufbachs, ein steiler Hangbereich und einige Böschungen wurden nach Onobryhchis montana abgesucht, aber ohne die Art nachzuweisen. Dies gestaltete sich als schwierig, da die Art schon verblüht, oder eventuell durch die Rinderbeweidung abgefressen war. Zwei aktuelle Fundmeldungen bei Inaturalist zeigen die Bergesparsette aus der unmittelbaren Umgebung der Fundorte der Imagines https://www.inaturalist.org/observations/303449799 und https://www.inaturalist.org/observations/225121859. Als Habitat kommen sowohl die meist unbeweideten Urrasen an extrem steilen und felsdurchsetzten Stellen teilweise mit Hangrutschungen in Frage, dort gedeihen alpine Kalkrasen mit Rostseggenrasen und Blaugras-Horstseggenrasen, die nicht beweidet und sporadisch wahrscheinlich von Gemsen abgegrast werden. Nur in äußest steilem Gelände verbuschen diese Flächen nicht. In den niedrigeren Lagen des Bereichs im Durrach haben derartige Flächen auf Grund des stärkeren Bewuchses keine Habitateignung. Des Weiteren kommen auch extensiv rinderbeweideten Flächen oder Bereiche an Uferböschungen als Habitat in Frage, eine genaue Abklärung ist erst durch eine gezielte Kartierung der Raupenfutterpflanze möglich. Eine Gefährdung geht von der Güllung und der Intensivierung der Rinderhaltung in diesen Bereichen aus. Die Kiesbänke hatten meist gar keinen Pflanzenaufwuchs. Die Männchen unterscheiden sich wie bei vielen Alpenpopulationen (z.B. Parnassius apollo und Euphydryas maturna) von den Flachland-Populationen durch eine dunklere Färbung. Am Aggenstein, von wo es Nachweise der Raupenfutterpflanze gibt, gelang Oliver Böck zusammen mit Benjamin Morawitz am 13.8.2025 kein Imaginalnachweis. Dort wurde der Böse Tritt im Osten, sowie von Gemsen beweidete Geröllflächen unterhalb des Gipfels im Westen des Bergmassivs abgesucht.
Abb. 3: Nachweis eines Männchens von Polyommatus damon im Traufbachtal. An dieser Stelle insgesamt mindestens vier Männchen, Allgäuer Hochalpen, 1293 m, 8.8.2025 (Foto: Oliver Böck)
Abb. 4: Männchen von Polyommatus damon im Traufbachtal an Blattausscheidungen/DüngerUrin saugend. Allgäuer Hochalpen, 1293 m, 8.8.2025 (Foto: Oliver Böck)
Abb. 5: Fundort von mindestens vier Polyommatus damon Männchen. Allgäuer Hochalpen, Traufbachtobel, 1293m, 8.8.2025 (Foto: Oliver Böck)
Sonst ist Onobrychis montana nur an wenigen Stellen, um die Höfats bekannt, was sehr steiles Gelände bedeutet. Für trittsichere und schwindelfreie Bergsteiger gibt es einen Weg zur Biwakschachtel über die Höfatswanne (Höfats SW Flanke). Dort hat Herbert Stadelmann am 29.7.2013 Onobrychis montana (ohne Falter) flächig gesehen (Abbilungen 6 und 7). Beschrieben wird dies auch bei Dörr & Lippert (2001).
Abb. 7: Fundort der Berg-Esparsette (Onobrychis montana), Allgäuer Hochalpen, Höfatswanne, 29.7.2013 (Foto: Herbert Stadelmann)
Am 13.8.24 waren der Herbert Stadelmann und Felix Steinmeyer auf der Suche nach Polyommatus damon an der Höfatswanne (Höfats SW) im äußerst schwierigen Gelände erfolgreich! Sie konnten dabei zum ersten Mal für Bayern die Eiablage an der Bergesparsette nachweisen. Auf ca. 1750 m waren ca. drei Weibchen mit der Eiablage beschäftigt und ein Männchen konnte ebenfalls beobachtet werden.. Aufgrund des z.T. unzugänglichen Geländes untersuchten sie nur ein kleines Teilgebiet von 1650 bis 1750 m mit ca. 270 qm. Es bestand aus alpinen Rasen (Blaugras-Horstseggenrasen) durchsetzt mit Jura Kalkstein, plattig bis dünnbankig z. T. mit Hornsteinen > „Malm-Aptychenschichten“ (Abbildung 8).
Abb. 8: Habitat von Polyommatus damon, Allgäuer Hochalpen, Höfatswanne, 1750m, 13.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)
Die Tiere flogen ab ca. 11 Uhr, da die Sonne ca. gegen 9:30 Uhr das Gebiet erreichte. Die Bergesparsette war großteils verblüht oder abgebissen (wohl von Gämsen). Die Eiablage war in der Nähe vegetationsarmer Bodenplatten. Weibchen konnten beim saugen an Ononbrychis monatana beobachtet werden (Abbildung 9). Es wurden zwei Eier gefunden. Auch waren hier schwarze Ameisen (unbestimmt) sichtbar. Die Eiablage erfolgte nicht an der Verzweigung der Tragblattachseln, sondern einmal in der Vegetationsmatrix an Onobrychis montana, aber auch auf dem Blatt einer anderen unbestimmten Pflanze.
Abb. 9: Weibchen von Polyommatus damon an Onobrychis montana saugend, Allgäuer Hochalpen, Höfatswanne, 1750m, 13.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)
Da nur ein kleiner Ausschnitt (ca. 10% bis 20% der potentiellen Habitate) in der Höfatswanne die vegetationskundlich von Seslerion-Sippen mit Caricion ferrugineae-Elementen in der Alpenbiotopkartierung von Michael Wecker untersucht wurde, ist nun schwer abschätzbar wie groß der Lebensraum für Polyommatus damon ist. Es ist abhängig von der Verbreitung der Futterpflanze im Gebiet, wie auch der Höhenverbreitung von Polyommatus damon.
Am 15.8.2025 konnten Felix Steinmeyer, Benjamin Schmid und Johannes Honold im Höfatsmassiv nochmals fündig werden, nachdem auch von dieser Stelle Onobrychis montana teilweise häufig kartiert wurde. Zwischen Seilhenker und Rotem Loch (Kleine Höfats) konnten sie zwei Männchen beobachten und insgesamt vier Einachweise an Onobrychis montana liefern, ein Männchen dabei auf 1657 Metern Höhe (schriftl. Mitt. Steinmeyer, https://www.inaturalist.org/observations/306306826). Die Eiablagen erfolgten an relativ kleinen Exemplaren der Berg-Esparsette auf schmalen bewachsenen Bändern am Fuß der südostexponierten Felswände und Felsbänder (Abbildung 10). Die vier Eier, die sie gefunden haben, waren auf Blattspreiten, Früchten und verblühten Kronblättern abgelegt (je ein Ei pro Pflanze) (Abbildung 11). Die Pflanzen waren im Großteil verblüht oder abgebissen, aber es fanden sich noch blühende Exemplare. Die Art war im Untersuchungsgebiet recht häufig (schriftl. Mitt. Honnold).
Abb. 10: Allgäuer Hochalpen, Eiablagehabitat am Seilhenker, Onobryhis montana wächst dort entlang der Felsbänder, 14.8.2025 (Foto: Johannes Honnold)
Abb. 11: Allgäuer Hochalpen, Eiablage an der Blattoberseite von Onobrychis montana am Seilhenker, 14.8.2025 (Foto: Johannes Honnold)
Am Linkerskopf (dort Gefährdung durch Schafbeweidung) laut bayernflora.de (zuletzt 2002) und am Spätgundkopf (Nachweis von 1995 (https://www.floraweb.de/shiny/florakarte/?taxonid=3911), zwei Nachweisorten von Onobrychis montana sollte nach Polyommatus damon nachkontrolliert werden. Ebenfalls im Stillachtal, Bacherlochtal, Sperrbachtal und auf einer Mähwiese in der Nähe des Söllerecks, dort größere Bestände von Onobrychis viciifolia.: https://observation.org/observation/319723144/. Am Fellhorn waren zwei Nachsuchen in diesem Jahr nicht erfolgreich. Daneben sollte noch angrenzend an die Höfats die Rauhenhalsalpe mit dem Kitzberg und die steil abfallenden Hänge der Höfatsmannl näher untersucht werden. Möglicherweise ist Onobrychis montana und mit ihr Polyommatus damon doch weiter verbreitet, aber das Reproduktionsareal ist sicherlich sehr klein.
Abb. 12: Karte der aktuellen Verbreitung von Polyommatus damon in den Allgäuer Hochalpen.
Gefährdungsursachen in den Allgäuer Hochalpen
Eine Gefährdung besteht in den höheren Lagen des Seilhenkers und der Höfats-Ostseite durch zu intensive Rinder- oder Schafbeweidung und das damit verbundene Wachstum von Läger- und Unkrautfluren, was deutlich an der Gutenalpe zu sehen ist. Dort könnte auch Gülleaufbringung eine Gefahr darstellen. In der Höfsatswanne durch die Stickstoffanreicherung und damit stärkerem Grasaufwuchs gefährdet. Die Flächen wurden teilweise noch bis in die 1950er Jahre als Heumähder genutzt (Natura 2000 Managementplan Allgäuer Hochalpen). Eine Reimplimentierung dieser alten Bewirtschaftungsform wäre wünschenswert, wird aber wahrscheinlich nicht machbar sein. In den niedrigeren und höheren Lagen des Hinteren Traufbachtals durch zu intensive Beweidung und Düngung (Gülle) gefährdet. Auf den alpinen unbeweideteten Kalkrasen auch durch Stickstoffeinträge aus der Luft und damit einer Vergrasung. Eine genaue Ermittlung der Verbreitung von Onobrychis montana ist wichtig um beide Arten gezielt zu fördern und um möglichen Fehlbeweidungen oder Düngeeinträgen vorzubeugen.
Weiterer Forschungsbedarf, Danksagung und Infos
Meldungen zu dieser Art sind sehr gerne auf dem Portal der ABE Tagfalter in Bayern erwünscht. Die Genetik der Art in den Allgäuer Hochalpen sollte gebarcodet und mit Individuen aus dem Tiroler Inntal und den anderen bayerischen Populationen verglichen werden. Laut einer alten Arbeit von Schawerda (1924) gehören die Bestände von Polyommatus (Lycaena) damon Nordtirols und der Ostschweiz zu der Form ultramarinus, da angeblich die Männchen in einem anderen mehr ultramarinen Blau leuchten. Bei den eigenen Beobachtung durch die Autoren wurde eine dunklere Färbung, auch bei den Weibchen, wie bei den Flachpopulationen festgestellt. Die Flugzeit scheint nur von kurzer Dauer zu sein, während im Traufbachtal am 6.8.2024 und 8.8.2025 fast nur frische Männchen gefunden wurden, waren die Tiere rund um die Höfats an beiden Terminen 2024 und 2025 circa eine Woche später trotz gut mehr als 300-400 Höhenmetern schon abgeflogen. Im Traufbachtal konnte die Art schon am 15.8.2024 nicht mehr beobachtet werden. Eine genauere Untersuchung hierzu steht ebenfalls noch aus, denn eigene Daten aus Nauders in Tirol reichen vom 20.7. bis 27.8. Die Entwicklung eines Schutzkonzepts sollte dringend erwägt und eine genaue Kartierung von Onobrychis montana dabei mit einbezogen werden.
Unser Dank gilt Johannes Honnold für die zur Verfügungstellung der Fotos vom Seilhenker und Felix Steinmeyer für seine Exkursionen in die Habitate.
Weitere Infos zur Futterpflanze Berg-Esparsette (Onobrychis montana)
Amann, G. (2016): Das Pflanzenleben Vorarlbergs. Aktualisierte Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen Vorarlbergs – Berichte und Studien des Vorarlberger Naturschutzrat – RL-Pf-2016: 1 – 161.
Arbeitsgemeinschaft Microlepidoptera in Bayern (2024): Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 24: 51–66. Neue Ergebnisse in der bayerischen Kleinschmetterlingsfaunistik – 12. Beitrag (Insecta: Lepidoptera).
Bamberger. S., Beiser, G., Drozdowski I., Duda, M., Mrkvicka, A. Ch. (2022): Molluskenfunde im Naturpark Kaunergrat in Tirol – Bericht zum Tag der Artenvielfalt 2021 – Arianta – 9, 25 – 32.
Böck O. (2022): Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 21: 45–53. Der Streifenbläuling (Polyommatus damon) ([Denis & Schiffermüller], 1775) im Landkreis Rhön-Grabfeld – Aktuelle Bestandsentwicklung und Gefährdungslage, sowie Neuigkeiten zur Phänologie und Ökologie der Art (Insecta: Lepidoptera: Rhopalocera).
Dörr E. (1967): Flora des Allgäus – Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft zur Erforschung der Flora – 39: 35 – 45.
Dörr E. (1983): Ergänzungen zur Flora des Allgäus. Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft. 54 59-76.
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Schawerda, K. (1924): Eine Lokalrasse von Lycaena damon L. aus den Tiroler Alpen. In: Mitteilungen der Münchener Entomologischen Gesellschaft 14. S. 24-25
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Sucháčková Bartoňová, A., Konvička, M., Marešová, J., Bláhová, D., Číp, D., Skala, P., Andres, M., Hula,V., Dolek, M., Geyer, A., Böck, O., Kadlec, T. & Z. Faltýnek Fric (2021): Extremely Endangered Butterflies of Scattered Central European Dry Grasslands Under Current Habitat Alteration. – Insect Systematics and Diversity 5 (5): 6; 1–18. https://doi.org/10. 1093/isd/ixab017
Zusammenfassung: Seit der Veröffentlichung von Bräu et al. 2013 haben sich überraschende Neu- oder Wiederfunde von Tagfaltern in Bayern ereignet. Als spektakuläre Beispiele gelten neben dem Wiederfund von Brenthis daphne nach 42 Jahren in Bayern, die Neufunde von Polyommatus damon in den Allgäuer Hochalpen, der Wiederfund von Glaucopsyche alexis für Südbayern und die Wiederfunde von Muschampia floccifera für Ostbayern. Einige Arten haben große Arealexpansionen erfahren wie zum Beispiel Pieris mannii (wohl über ganz Bayern verbreitet), Pyrgus armoricanus in Nordwestbayern, Brintesia circe in der Fränkischen Alb und in Ostbayern auch außeralb des Jurazuges oder Lycaena dispar in Ostbayern (Sage 2019 und Dumke 2022). In diesem Artikel werden die einzelnen teilweise auch überraschenden Entwicklungen dargestellt. Ebenso werden Altnachweise genannt, die bis dato nur auf unserer Datenbank gemeldet wurden wenn sie besonders spektakulär waren, wie die Funde von Euphydryas maturna im Silberbrünnl bei Aichach.
Abstract: Since the publication of Bräu et al. 2013, there have been surprising new discoveries or rediscoveries of butterflies in Bavaria. Spectacular examples include the rediscovery of Brenthis daphne in Bavaria after 42 years, the new findings of Polyommatus damon in the Allgäu Alps, the rediscovery of Glaucopsyche alexis in South Bavaria and of Muschampia floccifera in eastern Bavaria. Some species have experienced large range expansions, such as Pieris mannii (probably widespread throughout Bavaria), Pyrgus armoricanus in north-western Bavaria, Brintesia circe in eastern Bavaria, outside the Jura range, and Lycaena dispar in eastern Bavaria (Sage 2019 and Dumke 2022). This article presents the individual developments, some of which are also surprising. We also mention old records that were previously only reported on our database if they were particularly spectacular, such as the findings of Euphydryas maturna in the Silberbrünnl near Aichach.
Wiederfund von Brenthis daphne in Bayern
Die erste Wiederbeobachtung für Bayern seit 1983, erfolgte am 28.6. 2025 durch Walter Mark und wurde im Lepiforum gemeldet: https://forum.lepiforum.org/post/986380. Das Individuum saugte dabei an einer Brombeerhecke entlang eines Waldrandes (Abbildung 1). Brenthis daphne besiedelt lichte Waldlückensysteme mit Waldlichtungen, Sukzessionsflächen und breiten Wegrändern in warmem Regionalklima. In Baden-Württemberg werden außerdem südwestexponierte Dämme und aufgelassene Steinbrüche besiedelt (Fritsch 2005). Die Art befindet sich ausgehend von der Oberrheinebene seit Ende der 2000er Jahre in Ausbreitung und ist nun wahrscheinlich aus Hessen eingewandert, denn bei Frankfurt wurde sie schon seit mehreren Jahren nachgewiesen. Die Nachweise von 1983 durch Thomas Raute und Ralph Sturm sind belegt, ob es sich um autochone Populationen gehandelt hat bleibt fraglich. Es sollte in nächster Zeit vor allem im Hinteren Odenwald und entlang der gesamten Untermainebene auf die Art in lichten Wäldern und Waldaußenrändern mit Brombeerbeständen geachtet werden.
Abbildung 1: Brenthis daphne Fundort, die Brombeerhecke mittlerweile verblüht. Niedernberg, 1.7.2025, (Foto: Walter Mark)
Arten mit Wieder- oder Neufunden in einzelnen Regionen
Heilziest-Dickkopffalter (Muschampia floccifera)
Wiedernachweis in Ostbayern aus dem Lallinger Winkl von Mario Harzheim vom 14. Juni 2019 ( https://www.schmetterlingebayern.de/beobachtung?id=177176). Der Fundort war eine magere Feuchtwiese mit Beständen des Heilziests (Betonica officinalis) südlich von Eiserding. Laut Dolek (mdl Mitt.) in ca. zehn Kilometer Entfernung auch an einer anderen Stelle nachgewiesen. In Morawietz et al. 2023 wird über die Herkunft dieser Populationen diskutiert, Funde in zwei verschiedenen Gebieten scheinen auf eine Bodenständigkeit hinzudeuten, die unauffällige Art scheint dort übersehen worden zu sein, zumal auch Altnachweise aus der Region kommen. Eine genauere Ermittlung des Verbreitungsbildes wäre dringend angeraten.
Blauschillernder Feuerfalter (Lycaena helle)
Neunachweise für den Hinteren Bayerischen Wald bei Haidmühle von 2021 durch Michael Bäumler (https://www.tagfalterbayern.de/beobachtung?id=250034) und 2022 durch Markus Grünzinger (https://www.tagfalterbayern.de/beobachtung?id=987845). 2002 wurde eine Wiederansiedelung der Art durch eine Spenderpopulation aus den Türnitzer Alpen (Österreich) grenznah auf tschechischer Seite (Nové Údolí) begonnen. Diese war erfolgreich, wie die Arbeit von Peškařová et al. 2024 zeigt. So lassen sich auch die Funde auf bayerischer Seite erklären. Der aktuelle Status der Art in der Umgebung von Haidmühle sollte näher untersucht werden.
Abbildung 2: Lycaena helle Weibchen, Haidmühle, 14.6.2021, (Foto: Michael Bäumler)
Alexis-Bläuling (Glaucopsyche alexis)
Wiedernachweis durch Georg Stiegel für Südbayern in der Kissinger Heide am 15.6.2013 (https://www.schmetterlingebayern.de/beobachtung?id=1177581). Es handelte sich dabei um den Einzelnachweis eines Männchens. Das Habitat ist eine Verzahnung lichter Waldstrukturen mit offenen Heideflächen und bietet somit auch Coenonympha hero Lebensraum. Im südlichen Steigerwald teilen sich beide Arten teilweise auch dasselbe Habitat. Glaucopsyche alexis wurde bis in die 1950er Jahre aus Südbayern südlich von München (von Grünwald bis Wolfratshausen in lichten Hangleiten und Schneeheide-Kiefernwäldern mit Flussschotterheiden mit mehreren Fundorten) gemeldet, hatte aber auch nördlich der Stadt einige Nachweise (Bräu & Schwibinger 2001). Aus der Augsburger Umgebung gab es laut Freyer 1860 Nachweise zwischen Straßberg und Bannacker. Laut Munk 1898 Falter einzeln im Juli. Danach nicht mehr wiedergefunden, so zum Beispiel bei Käser 1955. So handelt es sich um eine bedeutende Wiederentdeckung der Art nach über 100 Jahren für den Augsburger Raum und circa 60 Jahre für Südbayern. Im Gebiet zwischen Straßberg und Bannacker konnte Boloria eunomia in einem anderen Habitattypus wiedergefunden werden (Stiegl 2021). Eine genauere Nachsuche von Mitte Mai bis Mitte Juni wäre dabei auf allen Heiden auch im Umkreis ratsam (Königsbrunner Heide, Schießplatzheide, Dürrenastheide). In Nordbayern derzeit in Ausbreitungstendenzen im Sandsteinspessart, entlang des Mains bis in das Itz-Baunach-Hügelland, so zum Beispiel regelmäßige Nachweise aus dem Vogelschutzgebeit Garstadt.
Streifenbläuling (Polyommatus damon)
Neunachweise der Art durch Herbert Stadelmann für die Bayerischen Alpen im Traufbachtal und an der Höfats von 2024. Davor konnten schon 2021 in einem YouTube-Video (Traufbachtal) und bei einer Meldung auf observation.org (2023 im Sperrbachtobel) Nachweise erbracht werden. Näheres dazu in dieser Veröffentlichung von Stadelmann, H. & Böck, O. (2024): https://blog.schmetterlingebayern.de/2024/08/17/der-grosse-esparsetten-blaeuling-oder-streifenblaeuling-polyommatus-damon-im-allgaeu-noerdlichster-fundort-in-den-alpen/. Als Habitat gelten dort steile, wahrscheinlich sporadisch nur von Gämsen beweidete, felsenreiche Blaugras-Horstseggenrasen (Urrasen), eventuell auch Rostseggenrasen mit der Raupenfutterpflanze Ononbrychis montana, welche in Bayern ebenfalls sehr selten und nur aus den Allgäuer Hochalpen und wohl angesalbt am Aggenstein bekannt ist. Neue Fundorte dieser Pflanze konnten über verschiedene Portale ermittelt werden, eventuell finden sich noch andere Populationen der Art, so in der weiteren Umgebung der Höfats. Die zwei Eiablagen erfolgten laut Stadelmann einmal in der Vegetationsmatrix an der Raupenfutterpflanze, aber auch auf dem Blatt einer anderen unbestimmten Pflanze. Besonderer neuer Altnachweis: Auerbach Grünberg von 1980 bis 1990 fünf Nachweise von Peter Huber maximal 1981 und 1985 je sieben und fünf Individuen, Erfasser Klaus Schmalzbauer. Letztnachweise: Seeberg bei Premberg 1976 Flauger, zwischen Deuerling und Laaber, Nachweise von Josef Schreiner von 1975 bis 1981 vier einzelne Belegexemplare. Erfasser Klaus Schmalzbauer. Nachweis Breitschafter 1973, ein Beleg aus Duggendorf. Erfasser: Klaus Schmalzbauer.
Abbildung 3: Habitat von Polyommatus damon in der Höfatswanne. 13.8.2024, (Foto Herbert Stadelmann)
Arten mit großen Arealexpansionen
Großer Feuerfalter ( Lycaena dispar)
Weitere Ausbreitung in Ostbayern. Im Jahr 2019 erfolgten die ersten Nachweise in Südostbayern in Altötting, Bad Birnbach, Untergriesbach und Pocking (Sage 2019).Bis 2021 zahlreiche Nachweise im Rott-Tal bis Eggenfelden sowie bei Braunau am Inn und Burghausen (Dumke 2022). Bis Ende 2024 nochmals eine deutliche Arealerweiterung entlang der Donau bis zur Isarmündung zwischen Plattling und Deggendorf im Norden, im Isartal bis Wörth sowie entlang der Isen bis nach Ampfing im Westen. Die Art breitet sich entlang von Ausgleichsflächen, Bahnstrecken oder größeren Strassenböschungen aus, kann sich dort wie in Passau auch auf einem Parkplatz von Lidl reproduzieren (Markus Dumke). Die Arbeit von Gros & Gferer 2023 zeigt, das nun auch das Bundesland Salzburg in Österreich langsam besiedelt wird. Der westlichste Fundpunkt ist die Weitwörther Au, welcher nur rund einen Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ist. Neunachweise an der Salzach zwischen Freilassing und Laufen dürften damit auch sehr wahrscheinlich sein.
Abbildung 4: Aktuelle Verbreitung von Lycaena dispar in Südostbayern. Schwarze Kreise: Neuachweise ab 2019.
Weißer Waldportier (Brintesia circe)
Der Weiße Waldportier (Brintesia circe) war in Bayern bis Anfang der 2010er Jahre auf die Kerngebiete der Südlichen (Gailachtal, Wellheimer Trockental, Usseltal, Unteres Altmühltal) und Mittleren Frankenalb (Truppenübungsplatz Hohenfels, Täler von Lauterach, Naab, Schwarzer Laaber und im Regensburger Jura) beschränkt, wo eine deutliche Zunahme der Individuendichten auf großflächigen Magerrasen zu verzeichnen ist. Da die Tiere sehr flugaktiv sind, können sie von dort aus auch benachbarte Flächen besiedeln. Vor allem in den letzten 10 Jahren breitet sich die Art aus. Entlang der Lauterach konnte inzwischen die nördliche Frankenalb bis Edelsfeld erreicht werden. Weitere Ausbreitungen sind entlang der Naab bis ins Oberpfälzer Hügelland zu beobachten. Nach einem Einzelfund 2015 von Böck wohl nun auch in Heidenheim am Hahnenkamm bodenständig (Ohr). An der Donau Einzelfunde von Lechsend bis Donaustauf, nördlich davon mehrere Nachweise im Falkensteiner Vorwald und entlang des Regen. Dort Einzelfunde bis in den Vorderen Oberpfälzer Wald. Neuerdings auch Sichtungen aus dem Hinteren Oberpfälzer und Bayerischen Wald. Weitere Beobachtungen im Passauer Abteiland und im Neuburger Wald. Einzelfund aus dem Dürnbucher Forst von 2023 durch Hirmer (Böck 2024a).
Abbildung 5: Aktuelle Verbreitung von Brintesia circe in der Fränkischen Alb und Ostbayern. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Abbildung 6: Aktuelle Verbreitung von Pyrgus armoricanus in Nordwestbayern. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Baumweißling (Aporia crataegi)
Die Art zeigt deutliche Ausbreitungstendenzen in einigen Regionen Bayerns. In Nordostbayern insbesondere im Fichtelgebirge und dem Frankenwald, sowie in der Nördlichen Frankenalb, in Nordwestbayern in der Rhön und dem Grabfeld, sowie rund um Schweinfurt. Zudem in Ostbayern im Bayerischen Wald in starker Ausbreitung begriffen, dies gilt in abgeschwächter Form auch für den Oberpfälzer Wald. Im Bayerischen Wald durch die Borkenkäferkalamitäten und Windwürfe stark begünstigt. Die Art ist in lichten Wäldern, extensiven Wiesen in Verbindung zu Waldaußensäumen, an stufigen Waldrandstrukturen und breiten Waldwegen mit Waldinnensäumen zu finden. Einzelmeldungen auch von der Frankenhöhe und die Südliche Frankenalb. Für Südbayern sind vereinzelte neue Meldung außerhalb der bayerischen Alpen und und des Voralpenlandes gemacht worden wie zum Beipsiel im Viehlassmoos oder bei Bad Birnbach. Ob sich die ausbreitungsstarke Art dort auch langjährig reproduziert bleibt fraglich. Da die Art für Massenwechsel bekannt ist, kann deshalb noch nicht von einer deutlichen Bestandserholung ausgegangen werden
Abbildung 7: Aktuelle Verbreitung von Aporia crataegi in Bayern. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Karstweißling (Pieris mannii)
Pieris mannii hat Bayern im Sturm erobert. Nachdem die Art zuerst 2008 in Baden-Württemberg auftrat gelangen die ersten Funde in Bayern 2010 in Oberelchingen und Lindau am Bodensee (Kratochwil 2011 und Hensle 2024). Derzeit ist die Art in vielen Naturräumen vertreten, auf den ersten Blick vornehmlich mit Konzentrationen in den Ballungszentren wie München und Nürnberg-Fürth-Erlangen. Die vielen Nachweise aus der Mittleren und Südlichen Frankenalb durch Thomas Netter zeigen aber auch das die Art mittlerweile auch in den Siedlungsgebieten des ruralen Raums weiter verbreitet ist. Das aktuelle Bild von Schmetterlinge in Bayern zeigt leider deshalb auch nicht das aktuelle Bild der Gesamtverbreitung, sondern nur die Beobachtungsdichte durch die einzelnen Beobachter in den jeweiligen Regionen. Funde bis in die subalpine Zone, im Rotwandgebiet 2023 auf 1757 m beobachtet (Netter).
Abbildung 8: Aktuelle Verbreitung von Pieris mannii in Bayern. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Malven-Dickkopffalter (Carcharodus alceae)
Carcharodus alceae hat seit der Veröffentlichung von Bräu et al. 2013 ebenfalls eine bedeutende Expansion erlebt, wobei das frühere Zentrum der Verbreitung Mittlere und Südliche Frankenalb leichte Rückgänge zu verzeichnen hat. Starke Konzentration von Nachweisen um die Ballungszentren München (isarabwärts bis wahrscheinlich zur Isarmündung), Augsburg sowie rund um Kempten. Die Karte zeigt wahrscheinlich auch nur einen Teil der aktuellen Nachweise, da es in vielen Regionen kaum Melder gibt. Ein Raupennachweis von Stadelmann auf fast 1000 Metern im Hinteren Bregenzer Wald.
Abbildung 9: Aktuelle Verbreitung Carcharodus alceae in Bayern. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Kurzschwänziger Bläuling (Cupido argiades)
Bei Cupido argiades erfolgte die Einwanderung über Nordwestbayern, die Art hat derzeit folgende Verbreitungszentren: Mittlere und Nördliche Frankenalb, München isarabwärts bis zur Donau und von dort bis zur österreichischen Grenze bei Jochenstein und die Großräume Nürnberg und Augsburg. Weitere Verbreitung auf den Mainfränkischen Platten und im Raum Aschaffenburg. Teilweise sind aber auch wieder Individuenrückgänge wie in der Südlichen Frankenalb zu verzeichnen. Es werden eindeutig niedrige Lagen und wärmebegünstigte Gebiete bevorzugt. Aus Gebieten im Allgäu sind Funde aus über 700 m bekannt.
Abbildung 10: Aktuelle Verbreitung von Cupido argiades in Bayern. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Besondere Nachweise von RL-Arten und Wanderfaltern:
Neunachweise 2025 für den deutschen Teils des Karwendelgebirges. Dort im Umfeld der Bergwelt Karwendel Gipfelstation (Dumke, Ohr) sowie am Hinteren Dammkar (Netter) entdeckt.
Segelfalter (Iphiclides podalirius)
Iphiclides podalirius kommt in Mainfranken z. T. in hohen Individuendichten auf Kalkmagerrasen entlang des Mains und der Fränkischen Saale von Kleinochsenfurt inzwischen bis Münnerstadt regelmäßig vor und strahlt neuerdings auch in den Sandsteinspessart und das Grabfeld aus. In der Mittleren Frankenalb z. T. gute Individuendichten auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels und entlang der Lauterach und Naab z. B. bei Kallmünz. Aktuell (2024) hjöhere Individuendichten im Raum Hammelburg und bei Kallmünz. In Südbayern liegen regelmäßige Nachweise aus den Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen vor. Dort in den letzten Jahren immer wieder Funde wie am Thumsee oder entlang der Saalach von Melleck bis in den Raum Bad Reichenhall. Die Hauptvorkommen dürften im Saalachtal auf österreichischer Seite liegen (z. B. Leoganger Steinberge) und von dort nach Bayern ausstrahlen (Böck 2024b). Einzelfund 2019 aus der Cham-Further-Senke weit abseits des Vebreitungsgebietes. Windverdriftung oder da an einer Bahnlinie gelegen auch Verschleppung, sowie eine Ansalbung sind hier wahrscheinlich. Als weitere Option ist ein Zuflug über das Regental denkbar, da die Art als äußerst flugstark gilt.
Parnassius sacerdos (Alpen-Apollofalter)
Neunachweis am 14.8.2005 von Bernd Deykowski aus den Ammergauer Alpen im Kollebachtal unterhalb des Niederen Straußbergs (https://www.schmetterlingebayern.de/beobachtung?id=193844). Ob die Art dort zeitweise bodenständig oder ob es ein zugeflogenes Exemplar aus den Lechtaler Alpen war, konnte durch fehlende weitere Nachsuchen nicht eruiert werden. Diese Stelle sollte nochmals nachkontrolliert werden. der überraschende Neunachweis von Polyommatus damon für die Allgäuer Hochalpen (Stadelmann & Böck 2024) zeigt auf, das Teile der Bayerischen Alpen immer noch nicht zu 100% durchforscht sind. Zudem entspricht der Fundort dem bekannten Habitatschema, einem kleinen Bachlauf zwischen 1500 und 1750 m Höhe mit der Raupenfutterpflanze Saxifraga aizoides zudem war das Männchen frisch.
Abbildung 11: Nachweis von Parnassius sacerdos aus den Ammergauer Alpen (Kollebachtal). 14.7.2005, (Foto: Bernhard Deykowski)
Abbildung 12: Derzeit höchstgelegener Fundpunkt von Euphydryas maturna in Bayern auf rund 850 Metern in den Chiemgauer Alpen. 26. Juni 2025, (Foto: Annette Schulten)
Dukatenfalter (Lycaena virgaureae)
Der Hauptverbreitungsschwerpunkt der Art liegt in Nordostbayern mit zahlreichen aktuellen Meldungen aus dem Frankenwald und dem Fichtelgebirge, ansonsten Vorkommen im Oberpfälzer und Bayerischen Wald, sowie aus der Rhön und dem Hinteren Odenwald. Kleinere Bestände im Falkensteiner Vorwald und der Nördlichen Frankenalb. Ansonsten scheint Lycaena virgaureae sich aus vielen Gebieten, wo sie noch in den 1990er Jahren gemeldet wurde, zurückgezogen zu haben. Besonders drastisch ist die Situation in Südbayern, wo Nachsuchen an verschiedenen Stellen (z.B. Ebersberger Forst, Gennachhausener Moos) in den letzten 20 Jahren erfolglos waren. Die einzigen gesicherten Nachweise existieren aktuell aus den Berchtesgadener Alpen. Ein Neunachweis für die Chiemgauer Alpen stammt von Annette Schulten (https://www.tagfalterbayern.de/beobachtung?id=1233602). Sie beobachtete ein Männchen der alpinen Form mit Diskalfleck am Steig der Hochkienbergalm. Die Umhgebung des Fundorts ist ein Mosaik aus alpinen Kalkmagerrasen mit Felsen, lichten Wäldern und Krummholzgesellschaften.
Abbildung 13: Flugstelle von Lycaena virgaureae in den Chiemgauer Alpen. 12. Juli 2025, (Foto: Annette Schulten)
Brauner Eichenzipfelfalter (Satyrium ilicis)
Neunachweise für Südbayern aus der Mühldorfer Haardt durch Elisabeth Naurath (https://www.schmetterlingebayern.de/beobachtung?id=1081089) und vom Fuchsberg östlich von Aichach durch Philipp Eckardt (https://www.schmetterlingebayern.de/beobachtung?id=1045845) für 2024. Ansonsten in Südbayern nur noch aktuelle Funde nach 2020 aus den lichten Eichen-Kiefernwäldern des Münchener Nordens (Berglwald, Schweizer Holz und Hartlholz). Im Hartelholz, im Berglwald sowie am Rande des Korbinianiwaldes auch 2025 bestätigt, jedoch in Einzelexemplaren. In den Waldgebieten bei Ampfing im Ampfinger Holz und im Lochheimer Holz durch den Verfasser und Elisabeth Naurath nachgewiesen, zahlreiche Eier konnten dabei auf einer Lichtung mit Jungeichenaufforstung durch Phiilipp Eckardt und den Verfasser gefunden werden. Leider wird dort auch die Roteiche (Quercus rubra) neben der Stieleiche (Quercus robur) angepflanzt, eine kursorische Suche ergab daran keine Eifunde und in der Literatur gibt es ebenfalls keine Belege für eine Reproduktion am Baum des Jahres 2025. Es handelt sich dabei wohl um die beste Population Südbayerns, näheres dazu in einer Veröffentlichung am Ende des Jahres.
Abbildung 14: Habitat von Satyrium ilicis im Ampfinger Holz. Hier sieht man auch die gepflanzten Roteichen (Quercus rubra), Eifunde an beiden Stieleichen im Vordergrund. 06.Juli.2025, (Foto: Oliver Böck)
Erosbläuling (Polyommatus eros)
Neunachweise für die Nagelfluhkette vom Siplinger Kopf (von Michael Münz dort 2020 neuentdeckt und von Dumke 2021 bestätigt) und dem Rindalphorn (Böck 2023). Dort werden sporadisch beweidete Tälchen, die von Felsen, Schutt- und Hochstaudenfluren durchsetzt sind besiedelt.
Abbildung 15: Polyommatus eros am Siplinger Kopf in der Nagelfluhkette. 7.8.2021, (Foto: Markus Dumke)
Fetthennenbläuling (Scolitantides orion)
Viele Neunachweise aus dem Frankenwald seit dem Erstfund durch Gudrun Müller von 2022 (https://www.tagfalterbayern.de/beobachtung?id=844214), dort verbreitet in den Tälern der Wilden Rodach und der Rodach, sowie begrenzt im Höllental vorkommend. Meist in geringer Stückzahl z.B. in Diabas-Steinbrüchen, in der Umgebung von Felsen oder felsigen Wegböschungen mit Raupenfutterpflanzenbewuchs. Dort 2025 Nachweise einer 2. Generation durch unsere Melder Michael Degen und Uwe Pausch, die 2024 nicht beobachtet wurde. In der Mittleren und Südlichen Frankenalb stark im Rückgang begriffen und nur noch an drei Stellen gefunden. Altnachweis: Kallmünz Schloßberg bis Ende der 1970er Jahre durch P. Schaider beobachtet (Kudrna & Meyer 1990).
Kleiner Wanderbläuling (Leptotes pirithous)
Funde von Dumke und Harzheim in der Unteren Isarau östlich von Dietersheim, sowie von Stadelmann südöstlich von Grünschwaige bei Oberding von 2021.
Abbildung 16: Nachweisort von Leptotes pirithous bei Oberding. 14.8. 2021, (Foto: Herbert Stadelmann)
Mehrere Neunachweise im Großraum München. Die Art konnte insgesamt an neun Fundorten nachgewiesen werden 2021 an sechs Stellen und 2022 an acht Stellen mit Wuchs des Kreuenzians (Gentiana cruciata) (Morawietz et a.. 2023). In dem Artikel werden verschiedene Theorien über die Herkunft der Populationen wie zum Beispiel Windverdriftung, Ansalbung, Belegung von Kreuenzianbeständen durch die Feuchtgebietsvariante (Phengaris alcon alcon) oder der Weitertranspot von Pflanzenteilen oder Eiern durch Menschen oder Tiere diskutiert (nächste Population 40-50 Kilometer entfernt), ohne zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen.
Großer Eisvogel (Limenitis populi)
Limenitis populi scheint im Alpenraum deutlich weiter verbreitet zu sein, wie bis dato angenommen, Stabile Vorkommen zwischen Füssen und Murnau im Ammergebirge und im angrenzenden Ammer-Loisach-Hügelland. Daneben noch eine Verbreitungskonzentration in den Allgäuer Alpen und Nagelfluhkette mit Tälern, sowie im Raum Bad Reichenhall. Fortpflanzung an Espen (Populus tremula) entlang von Bächen auf Viehweiden oder entlang von Waldwegen. Aktuelle Nachweise lassen dort noch eine weitere Verbreitung vermuten (Böck 2024c).
Abbildung 17: Aktuelle Verbreitung von Limenitis populi in den Bayerischen Alpen. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Trauermantel (Nymphalis antiopa)
Nymphalis antiopa zeigt eine weitere Verbreitung in den Bayerischen Alpen. Seit der Veröffentlichung von Bräu et al. 2013 gab es sehr viele Neunachweise vor allem in den Allgäuer Alpen und der Nagelfluhkette. Regelmäßige Nachweise in den gesamten Bayerischen Alpen, im Frühling oft häufig entlang breiter Waldwege die meist entlang von Gebirgsbächen verlaufen.
Gelbringfalter (Lopinga achine)
Die Lichtwaldart hat zahlreiche Neunachweise in den Bayerischen Alpen (Chiemgauer Alpen) und Teilen des Allgäus (Iller-Lech-Schotterplatten, Vilser Gebirge und Lech Vorberge). Verantwortlich dafür dürften im Allgäu u.a. Windwürfe und Käferkalamitäten sein. Flächen gehen bei fehlender Pflege schnell wieder verloren. Überraschender Neufund im Stuhlholz südöstlich von Sulzemoos 2023 durch Philipp Eckard : https://www.tagfalterbayern.de/beobachtung?id=981713 und Wiederfund im Donauried 2021 (Wolf).
Rostbinde Hipparchia (semele)
Hipparchia semele kommt heute nur noch in Mainfranken und in der Gegend um den Truppenübungsplatz Grafenwöhr vor. Die Nachweise im Landkreis Rhön-Grabfeld (Dünsberg, Gegend um Ostheim, NSG Unsleben) sind auf weitere Einzelwanderungen einzelner Imagines aus Thüringen zurückzuführen (dort noch stabile Populationen Eigenbeobachtung Autor). In der Südlichen Frankenalb seit 2015 kein Nachweis und von der Fröttmaninger Heide nördlich München seit 2010 (Böck 2024d). Rund um den Truppenübungsplatz Grafenwöhr der Hauptpopulation gibt es immer wieder Sichtungen einzelner Falter oft in weiterer Entfernung. Die beiden weitesten Wanderungen konnten westlich des Truppenübungsplatzes mit 7 Kilometern Entfernung am Rabenfels nordöstlich Krottensee und mit 13 Kilometern am Tannberg südwestlich von Plech beobachtet werden. Wie Beobachtungen schon im Landkreis Rhön-Grabfeld zeigen wandern einzelne Tiere von größeren Populationen ab und können oft weit davon entfernt beobachtet werden. Die Art gilt als klassischer Binnenwanderer (vgl. u.a. Hensle & Seizmeier 2024). Das dies auch noch über weitere Enfernung geschehen kann zeigt die Arbeit von De Ro et al. 2021. Hierbei konnten für Belgien mit Hilfe von Mikrosatelliten-Markern Wanderungen einzelner Falter von zwischen 13 und 69 Kilometern festgestellt werden, In einem Extremfall fand eine Wanderung von einer Küsten- zu einer Festlandpopulation von 142 Kilometern statt. Von 599 markierten Exemplaren konnte bei 1,2 % der Tiere (n=7) eine weitere Wanderung festgestellt werden. Nachweise von 1991 bis 1995 auf dem Gut Großlappen, auf der Freimanner Brenne, am Müllberg Fröttmaning und im Mallertshofer Holz, zeigten das Dispersionsverhalten dieser Art im Großraum München. Im Nordteil der Fröttmaninger Heide zuletzt 2001 (Eigenbeobachtung Böck).
Abbildung 18: Aktuelle Verbreitung von Hipparchia semele im Raum Grafenwöhr. Schwarze Kreise: Nachweise ab 2011. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Besondere andere Letztnachweise
Roter Apollo (Parnassius apollo):
Diskussionswürdige besondere Altnachweise fernab des Verbreitungsgebietes: Mauern bei Neustadt an der Donau, Belegexemplare: 2 Männchen 1948 (Freude H.). Eventuell Verwechslung mit Mauern im Wellheimer Trockental. Spalt Seminarwald, 1948 (Müller 1969), der genaue Fundort ist unklar und Straubing Bogenberg (dort laut Sturm in Wagner 2016 um 1909 erloschen). Der damals wald- und gebüschfreie Bogenberg dürfte wahrscheinlich der südöstlichste Fundpunkt der Verbreitung entlang der Donau gewesen sein. Ob es sich um eine Verdriftung handelt oder eine eigenständige Population vorkam ist im Nachhinein nicht mehr nachweisbar. Das nächste uns bekannte Vorkommen existierte in circa 40 km Entfernung am Burgberg bei Donaustauf bis 1969 (Müller 1976).
Berghexe (Chazara briseis):
Viele Nachweise durch Werner Meindl und Herwig Pinsker im Oberpfälzer Jura, im Riedenburger Schambachtal (am Kreutberg bei Altmannstein zuletzt 1973 durch Hirmer) und im Unteren Altmühltal in den 1950er Jahren. Das Feldbuch ging leider nach der Auswertung für Parnassius apollo und Chazara briseis für die Diplomarbeit verloren, die Sammlung schon 1963 bei einem Umzug. Nachweise aus den Mönchrödener Kalksteinbrüchen bis 1965 (schriftl. Mitt. Gick). Nachweise aus 1972 von Eichhofen und 1979 aus der Nähe von Undorf durch Sauer. Erfasser Schmalzbauer. Einige Nachweise aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld von 1993 (Dünsberg bei Oberelsbach) über Ende der 1990er Jahre (Kleiner Lindenberg bei Ostheim vor der Rhön in 7 Exemplaren und im NSG Unsleben) bis aktuell 2020 und 2023 (Weyhershauk bei Ostheim vor der Rhön). Diese zeigen das sich immer wieder Satellitenpopulationen auf bayerischer Seite ausgehend von Expansionen auf Thüringer Seite (Hauptpopulationen auf der Hohen Geba) entstehen und dort wie am Kleinen Lindenberg in den 1980er und 1990er Jahren und am Rederkreuz bei Bad Neustadt an der Saale in den 1990er bis Mitte der 2000er Jahre immer wieder längerjährige Bestände bilden können (schriftl. Mitteilung Krämer).
Regensburger Gelbling (Colias myrmidone):
Die in Deutschland zuletzt (2000) am Hutberg bei Fischbach (Umgebung Kallmünz) beobachtete Art, hatte neben den in Bräu et al. 2013 genannten Fundorten noch zahlreiche andere Nachweise, die hier teilweise mit Letztnachweis aufgeführt werden. Die meisten wurden anscheinend bei der Literaturrecherche ( so z. B. die Arbeit von Gauckler 1963) für das Atlaswerk vergessen. Riedenburg (Fritz Müller 1910, Erfasser Schmalzbauer aus bayerischer Staatssammlung); Morsbach und Wachenzeller Tal, Krämer (1911), Schwandorf, (Knörzer 1918); Lengenfeld, Mittlere Frankenalb, (Belegexemplar) 1933 bayerische Staatssammlung, (Erfasser Schmalzbauer), Bis 1963 im Irlbachtal und bei Regenstauf (Sammlung Teichmann und Sammler, Erfasser Schmalzbauer), Oberhinkofen bis 1963 regelmäßig und Einzelfund 1966 (Segerer et al. 1987 und Weidemann 1989). Seeberg bei Premberg 1991 (Flauger jun. mdl. Mitt.).
Abbildung 19: Aktualisierte ehemalige Verbreitung von Colias myrmidone in der Mittleren und Südlichen Frankenalb mit angrenzenden Regionen. Kreise: Nachweise in Datenbank ABE. Rechtecke Nachweise in Bräu et al. 2013.
Der Dank gilt den vielen Meldern bei https://www.tagfalterbayern.de/ ohne deren Meldungen viele der Neufunde niemals bekannt geworden wären, sowie den fleißigen Mitkoordinatoren von Schmetterlinge in Bayern. Ein extra Dank an Michael Bäumler, für die Zurverfügungstellung des Fotos von Lycaena helle sowie Walter Mark für das Foto von der Flugstelle von Brenthis daphne. Meldungen an unsere Portale sind weiterhin gerne erwünscht: https://www.schmetterlingebayern.de/.
Literatur:
Bräu, M., Bolz , R., Kolbeck, H., Nunner, A., Voith, J. & W. Wolf (2013): Tagfalter in Bayern. – Stutt- gart, Ulmer. 784 S.
Bräu, M. & Schwibinger, M. (2001): Die Tagfalterfauna des Naturraumes Münchener Ebene gestern und heute (Lepidoptera, Rhopalocera), In: Nachrichtenblatt der Bayerischen Entomologen 50 (4). 152-176
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Der Faulbaum-Glasflügler (Synanthedon stomoxiformis) zählt zu den seltensten Glasflügler-Arten Bayerns. Er bewohnt trockenwarme Lebensräume mit Vorkommen seiner Wirtspflanzen Faulbaum (Frangula alnus) und Kreuzdorn (Rhamnus cathartica). Die Hauptverbreitungsgebiete in Bayern sind die Nördliche Frankenalb und die Mainfränkischen Platten. Aufgrund von Eutrophierung und unsachgemäßer Pflege ihrer Lebensräume ist die Art vom Aussterben bedroht. Eine effektive Nachweismethode ist die Suche nach den Schlupfröhren, die von den Raupen angelegt werden.
Abstract
Synanthedon stomoxiformis is one of the rarest species of clearwing moths (Sesiidae) occurring in Bavaria. It is found in xerothermic habitats with its host plants alder buckthorn (Frangula alnus) and common buckthorn (Rhamnus cathartica). The two main distribution areas of S. stomoxiformis in Bavaria are the Northern Franconian Jura and Lower Franconia. The species is regionally threatened with extinction due to eutrophication and inadequate nature conservation management. An effective method for detecting the species is searching for small tubes which the larvae construct of scrapings and silk in order to pupate and hatch from as adults.
Die Glasflügler (Sesiidae) sind eine Gruppe tagaktiver Nachtfalter, deren Vertreter auf den ersten Blick an Hautflügler wie zum Beispiel Wespen erinnern (Mimikry). Die Falter werden trotz ihrer Tagaktivität nur selten beobachtet. Auch die Raupen leben verborgen in ihren Fraßgängen im Stamm oder der Wurzel der Wirtspflanzen.
Eine der seltensten und am stärksten gefährdeten Arten in Bayern ist der Faulbaum-Glasflügler, auch Kreuzdorn-Glasflügler genannt (Abb. 1). Auf der Roten Liste steht sie in Kategorie 1 (vom Aussterben bedroht) (Segerer et al. 2022). Sie ist nur in trockenwarmen Lebensräumen zu finden. Die Falter besuchen Blüten, werden aber nur selten beobachtet. Die Wirtspflanzen der Raupen sind der Faulbaum (Frangula alnus) und der Echte Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) (Bartsch 1997). Auf der Südlichen Frankenalb und entlang von Lech und Isar kommt mit dem Felsen-Kreuzdorn (Rhamnus saxatilis) eine weitere potenzielle Wirtspflanze vor (SNSB 2024), die für Bayern noch nicht belegt ist. Es werden nur wärmebegünstigte, gut besonnte Sträucher genutzt. Die Raupe, deren Entwicklung wahrscheinlich zwei Jahre dauert, frisst im Holz unter der Rinde einen Gang im Wurzelhalsbereich knapp unter der Bodenoberfläche. Als Nahrung dient vermutlich der zuckerreiche Pflanzensaft und nicht das Holzgewebe selbst. Zur Verpuppung baut die Raupe eine Röhre aus Genagsel und Seide, die über die Bodenoberfläche reicht und aus der später der Falter schlüpft (Bartsch 1997). Diese Schlupfröhren sind arttypisch und gut für den Nachweis der Art geeignet (siehe unten).
Abbildung 1: Männchen des Faulbaum-Glasflüglers (Synanthedon stomoxiformis). Regensburg, Juni 2024. Foto: Markus Dumke.
Ein Hauptgrund für die Gefährdung des Faulbaum-Glasflüglers ist der Nährstoffeintrag in seine Lebensräume (Eutrophierung), die zu einer höheren Vegetation führt und damit das warme Mikroklima am Fuß der Wirtssträucher beeinträchtigt. Ein weiterer ist die teilweise zu rigorose Pflege von Magerrasen durch den Naturschutz, wenn bei Entbuschungsmaßnahmen auch die Brutsträucher des Glasflüglers entfernt werden (Bittermann 1997, Segerer et al. 2022).
Der Faulbaum-Glasflügler ist in allen bayerischen Regierungsbezirken nachgewiesen. In Nordbayern sind Vorkommen auf der Südlichen, Mittleren und Nördlichen Frankenalb bekannt. Außerdem wurde sie im Obermainischen Hügelland, in der Umgebung von Rothenburg ob der Tauber (Hohenloher und Haller Ebene) und auf den Mainfränkischen Platten gefunden (Bittermann 1997, Arbeitsgruppe Schmetterlinge Deutschlands 2024). Aktuelle Funde liegen aus der Mittleren und Nördlichen Frankenalb sowie aus Unterfranken vor. Im nördlichen Unterfranken konnten durch gezielte Suche nach den Schlupfröhren einige zuvor unbekannte Vorkommen entdeckt werden (Arbeitsgruppe Schmetterlinge Deutschlands 2024, ABE 2024). Es ist wahrscheinlich, dass durch diese Methode weitere neue Nachweise erbracht werden könnten, v.a. in der Südlichen und Mittleren Frankenalb. Denkbar sind auch Vorkommen in Mittelwäldern. Aus Südbayern gab es, seit die Art dort 1790 von Jacob Hübner erstmals für die Wissenschaft beschrieben wurde (Friedberg bei Augsburg), über 200 Jahre lang keine Nachweise. 2010 und 2018 wurde der Faulbaum-Glasflügler dann in den Donauauen bei Ingolstadt erstmals wieder in Bayern südlich der Donau gefunden. Als Lebensraum dient dort eine sogenannte Brenne (Morawietz et al. 2019). So werden in Altbayern und Schwaben offene, trockenwarme Habitate innerhalb der Auwälder entlang der großen Flüsse bezeichnet. Möglicherweise kann die gezielte Nachsuche auf Brennen an Donau, Lech und Isar weitere Nachweise der Art bringen.
Geeignete Nachweismethoden für Synanthedon stomoxiformis sind die Anlockung der männlichen Falter mit künstlich hergestellten Pheromonen (Sexuallockstoffen) und die Suche nach den Schlupfröhren. Zur Anlockung mit Pheromonen bringt man an warmen, sonnigen Tagen spezielle Fallen mit dem entsprechenden Lockstoff an Hecken oder Sträuchern in den vermuteten Lebensräumen aus und hält vor Ort nach anfliegenden Faltern Ausschau. Hierfür kann z.B. das „myo“-Pheromon verwendet werden, das eigentlich für den Apfelbaum-Glasflügler (Synanthedon myopaeformis) konzipiert ist, aber auch den Faulbaum-Glasflügler anlockt (Pühringer 2024). Der Nachteil der Methode ist, dass die Flugzeit der Falter zwischen Mai und Juli (Bartsch 1997) regional und je nach Witterungsverlauf variiert und der passende Zeitraum zum Nachweis ohne Vorerfahrung leicht verpasst werden kann.
Die Suche nach den Schlupfröhren kann dagegen ganzjährig erfolgen, da diese nur langsam verwittern und auch noch lange nach dem Schlupf des Falters gefunden werden können. Sofern man die Wirtsgehölze auch ohne Laub erkennen kann, ist die Suche im Winter an milden Tagen zu empfehlen. Dann ist der Unterwuchs weniger dicht, was die Suche erleichtert. Zudem fehlen „störende“ Insekten wie Ameisen. In Gebieten mit hoher Populationsdichte von S. stomoxiformis ist das Erkennen der Sträucher meist schwieriger als die anschließende Suche nach den Schlupfröhren. Zunächst sucht man nach möglichst warmstehenden Faulbäumen oder Kreuzdornen, z. B. an südlich ausgerichteten Hecken, Böschungen oder Trockenmauern. Diese sollten keinen dichten Unterwuchs aufweisen. Eine niedrige und lockere Gras- oder Krautschicht ist nicht hinderlich, am besten ist jedoch eine offenliegende Moosschicht (Abb. 4 + 5). Auch Sträucher, die in Kalkscherben- oder Geröllfluren wachsen, können befallen sein. Die nachrutschenden Steine erschweren an solchen Standorten jedoch die Suche.
Abbildung 2: Frische, noch geschlossene Schlupfröhre des Faulbaum-Glasflüglers. Münnerstadt, Dezember 2023. Foto: Maximilian Schmucker.Abbildung 3: Zwei ältere Schlupfröhren mit Schlupfloch des Falters. Mühlbach (Bad Neustadt a. d. Saale), Dezember 2023. Fotos: Maximilian Schmucker.
Die Schlupfröhren befinden sich meist direkt an der Stammbasis der Wirtsträucher oder einige Zentimeter entfernt (Abb. 4). Sie sind zwischen wenigen Millimetern und 15 cm lang und immer ca. 1 cm dick (Bartsch 1997). Nur sehr alte Röhren sind durch die Verwitterung manchmal dünner. Frische Röhren sind rötlich braun (Abb. 2), ältere dunkelbraun oder fast schwarz (Abb. 3). Manchmal kann man die Röhren sofort wenige Zentimeter aus der Moos- oder Streuschicht ragen sehen. Die Erfolgsquote ist allerdings deutlich höher, wenn man diese Schicht vorsichtig entfernt (im Umkreis von ca. 10 cm um die Stammbasis). Moose sollten aus Rücksicht auf andere (überwinternde) Insekten und Kleintiere danach wieder zurückgelegt und leicht angedrückt werden. Oft sind an einem Strauch mehrere Schlupfröhren zu finden. Hat man durch visuelle Suche eine Schlupfröhre gefunden, kann man sich auch die haptische Beschaffenheit einprägen. Die Röhren sind sehr zäh und elastisch, fast gummiartig. So kann man die Röhren an schwer einsehbaren Stellen ertasten, z.B. wenn sich auf der hinteren Stammseite eine Hecke befindet. Man sollte darauf achten, keine frischen Schlupfröhren (ohne deutliches Schlupfloch) zu entfernen, da sich darin noch Raupen befinden können bzw. die Röhren noch weiter ausgebaut werden. Eine gute Anleitung für den Einstieg in die Schlupfröhrensuche gibt Toni Kasiske in diesem Video: Die Suche nach dem Faulbaum-Glasflügler (Synanthedon stomoxiformis) im Winter – YouTube.
Abbildung 4: Zwei Schlupfröhren an der Basis eines mehrstämmigen Faulbaums. Die Moosschicht wurde teilweise entfernt. Münnerstadt, Dezember 2023. Foto: Maximilian Schmucker.Abbildung 5: Habitat von Synanthedon stomoxiformis mit besetztem Faulbaum in einem ehemaligen Steinbruch. Münnerstadt, Dezember 2023. Foto: Maximilian Schmucker.
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Summary: Chazara briseis is the characteristic species of rocky, stony, rough-soil nutrient-poor grasslands with patchy swards, usually dominated by sheep’s fescue (Festuca ovina agg.). These were found in large numbers along the river valleys in the district of the Middle Franconian Jura, these were stony calcareous grasslands along the valleys of the rivers Lauterach, Naab, Danube, Schwarze Laaber, Regen and the Schwarzach. In this area the species was recorded the last time from Sauer between Undorf and Deuerling in 1979. In the district of the Southern Fraconian Jura there was also an populations on larger sites called Brennen (open, dry floodplain sites alongside rivers.They are formed when a river deposits gravelly debris) that were still grazed at that time intensively along the river Danube. Slopes along the Altmühl, Anlauter, Gailach, in the Morsbachtal, in the Riedenburger Schambachtal and in the Wellheimer Trockental in the district of Eichstätt were or are still currently colonised. There are also occurrences in the quarry areas between Eichstätt and Langenaltheim. Bachmann (1912) and Knörzer (1918), who described the species as a characteristic animal of the Eichstätt region, can be cited to indicate the former abundance of the species. Gauckler (1960) also refers to the species in the Jurassic Rock Heaths as a typical species. In this article, the extinction processes and population declines of the former and current populations in the Southern Franconian Jura are precisely reconstructed, the various causes of endangerment are explained and the current population situation is presented on the basis of literature references, the authors own observations and data from the Butterflies in Bavaria portal. Information on immediate measures to help the species is also provided.
Chazara briseis ist die Charakterart felsiger, steiniger, rohbodenreicher Magerrasen mit lückiger Grasnarbe, die meist von Schafschwingel (Festuca ovina agg.) dominiert wird. Diese fanden sich in großer Anzahl entlang der Flusstäler in der Mittleren Frankenalb von Lauterach, Naab, Donau, Schwarze Laaber, Regen und der Schwarzach. Der Letztnachweis aus diesem Gebiet stammt aus dem Jahr 1979 von Sauer zwischen Undorf und Deuerling. In der Südlichen Frankenalb waren das steinige Kalkmagerrasen im Usseltal und entlang der Donau auch auf größeren damals noch beweideten Brennenstandorten. Hänge entlang der Altmühl, Anlauter, im Morsbachtal, im Riedenburger Schambachtal und im Wellheimer Trockental im Landkreis Eichstätt waren oder sind noch aktuell besiedelt. Daneben gab es noch Vorkommen in den Steinbruchgebieten zwischen Eichstätt und Langenaltheim. Um die frühere Häufigkeit der Art zu nennen können Bachmann (1912) und Knörzer (1918) zitiert werden, der die Art als Charaktertier der Eichstätter Gegend bezeichnete. Auch Gauckler (1960) bezieht sich auf die Art in den Jurafelsheiden als Zeigerart. Im vorliegenden Beitrag werden anhand von Literaturangaben, eigenen Beobachtungen und Daten aus dem Portal Schmetterlinge in Bayern die Aussterbeprozesse und Bestandsrückgänge der ehemaligen und aktuellen Vorkommen in der Südlichen Frankenalb genau rekonstruiert, die verschiedenen Gefährdungsursachen erläutert und die aktuelle Bestandssituation dargestellt. Zudem werden Angaben für sofortige Artenhilfsmaßnahmen erläutert.
Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen verschwanden die zuerst von Müller (1976) genannten Funde in der weiteren Umgebung von Neuburg an der Donau durch Aufgabe der Beweidung (Königsdorfer 1996). In Thöny (1995) wird auch eine Brenne an der Donau mit Nachweis von 1975 gemeldet, dort sicher auch durch Aufgabe der intensiveren Beweidung verschwunden. Im Wellheimer Trockental gab es bei Hütting noch eine Einzelbeobachtung 1996. Eventuell handelt es sich dabei um einen dispergierenden Falter von der damals noch auf 50 Exemplare geschätzten Population bei Trugenhofen (Königsdorfer 1997), da die Habitate damals schon zu kleinflächig für Chazara briseis waren. Die Vorkommen im Usseltal scheinen leider durch Isolation und durch die zu extensive Beweidung der Flächen außerhalb der Kernfläche am Mantelberg erloschen zu sein. Von dort stammt der Letztnachweis von 2008 (David Pohl). Die Fläche selbst erscheint auch heute noch als Habitat geeignet, die Nutzung ist seit der letzten Beobachtung gleich geblieben und seit den Beobachtungen von Königsdorfer haben Flächenerweiterungen stattgefunden. Es handelt sich um eine Koppelweide mit Schafen, Ziegen und Pferden mit großen Schotterflächen (Abb. 3).
Abbildung 3: Ehemaliges Habitat der Berghexe am Mantelberg bei Trugenhofen, Foto wurde am Tag des Letztnachweises erstellt. 7. August 2008 (Foto: Oliver Böck).
Die weitaus meisten Meldungen stammen aus dem Landkreis Eichstätt. Zuerst verschwand Chazara briseis an der Altmühl bei Beilngries am Arzberg und bei Dollnstein, dann im Riedenburger Schambachtal, von wo die letzte Meldung aus dem Jahr 1973 vom Kreutberg bei Altmannstein stammt. Im Anlautertal bei Titting wurde Chazara brisies noch bis 2003 nachgewiesen. Funde gelangen sowohl in den Schotterfeldern des Galgenberges als auch in den fels- und kalkscherbenreichen Bereichen des Vogelherdes (Abb. 4). Die Art konnte sich dort so lange halten, weil ein guter Habitatverbund mit großflächigen Magerrasen sowohl vor Ort als auch entlang der Anlauter aufwärts im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen bei Bechthal bestand. Dort konnte sie 2009 noch an zwei Hängen nachgewiesen werden. Auch hier ist die Änderung der Beweidungsintensität als Hauptursache für das Aussterben in den beiden benachbarten Gebieten zu nennen. Inzwischen werden diese Flächen nach einer Umstellung wieder mehrfach in engem Gehüt beweidet, eine Wiederbesiedlung ist bisher leider nicht erfolgt. Überraschend ist ein Wiederfund in einem Seitental der Anlauter (Morsbachtal) (Abb. 5). In den letzten Jahren gab es immer wieder Einzelbeobachtungen. Durch Pflegemaßnahmen (Entbuschung) des LPV Eichstätt konnten die Habitatflächen vergrößert und eine bessere Vernetzung zwischen den einzelnen Teilflächen erreicht werden. Die Flächen werden auch wieder intensiver beweidet. Der Bestand ist akut vom Aussterben bedroht, Schutzmaßnahmen kommen vermutlich zu spät.
Bild 4: Ehemaliges Habitat am Vogelherd bei Titting, dort zuletzt 2003. 3. September 2014 (Foto: Oliver Böck)
Bild 5: Teilausschnitt des Habitats im Morsbachtal zu Beginn der ersten Pflegemaßnahmen, 4. August 2017 (Foto: Oliver Böck)
Im Gailachtal gibt es eine aktuell kurz vor dem Erlöschen stehende Population, für die bei Mörnsheim und Mühlheim langjährige Beobachtungen vorliegen, die den Rückgang detailliert dokumentieren. In den umliegenden Steinbrüchen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen gelangen bis Mitte der 2000er Jahre immer wieder Einzelnachweise, wobei an beiden Standorten Anfang (Mörnsheim/Blauberg) bis Mitte (Mühlheim/Lorenzberg) der 2000er Jahre über 50 bis 100 Individuen nachgewiesen werden konnten. Danach ging die Beweidungsintensität zuerst in Mörnsheim zurück. Am häufigsten wurde die Art am südostexponierten Felshang unterhalb der Aussichtsbank oberhalb der Ortschaft beobachtet. In den letzten Jahren gelangen nur noch sporadische Einzelnachweise. Zuletzt wurden dort 2008 mehrere Tiere gefunden. Im Steinbruch auch davor meist nur Einzeltiere. In Mühlheim dienen drei Bereiche als Reproduktionshabitat, ein Holzlagerplatz, der flachere südwestexponierte und der steile südostexponierte Hangteil des Lorenzberges mit den angrenzenden Steinbruchhalden. Am Südwesthang wurde seit Anfang der 2010er Jahre keine Chazara briseis mehr nachgewiesen. Der Holzlagerplatz (Abb. 6), auf dem in den 2000er Jahren immer zwischen 10 und 30 Individuen gefunden wurden, eutrophierte Anfang der 2010er Jahre zusehends und es wurden meist nur noch Einzelexemplare oder gar keine Beobachtungen mehr gemacht. An den steilen, felsigen Südosthang (Abb. 7 und 8) ist die Beweidung meist zu gering und die Art steht kurz vor dem Aussterben, dort in den letzten Jahren nur noch Einzelexemplare, wo in den 2000er Jahren noch hohe Individuendichten festgestellt wurden. 2024 erfolte trotz mehrfacher Nachsuchen keine Beobachtungen mehr. Im Steinbruch selbst finden sich kleinflächige Habitate auf initialen Magerrasen und an den Übergängen von Halden zu Magerrasen, die in den letzten Jahren vermutlich wesentlich zum Überleben der Art beigetragen haben. Zuletzt konnten 2016 am Lorenzberg mehr als 10 Exemplare der Art nachgewiesen werden.
Bild 6: Habitat Holzlagerplatz, Lorenzberg Mühlheim 23. August 2013 (Foto Oliver Böck)
Bild 7: Intensive Beweidung am Lorenzberg Südosthang als Pflegemaßnahme. damals dreimalige Beweidung in engem Gehüt. 31. Juli 2010 (Foto Thomas Netter)
Bild 8: Zu extensive zweimalige Hütebeweidung am Lorenzberg Südosthang, einer der Gründe für den starken Rückgang der Art. 23. Juli 2016 (Foto Oliver Böck)
Rund um die Stadt Eichstätt kam die Art auf zahlreichen Flächen sowohl in den Steinbrüchen bei Wintershof als auch in den steinigen Magerrasen oberhalb der Stadt vor. Nachdem die Nachweise aus dem Steinbruch Winterhof nach 2008 nur noch sporadisch gelangen (letzter Nachweis 2018), konnte 2014 ein Weibchen auf einer für die Art untypischen Fläche mit Vorkommen der Bergkronen-Widderchens (Zygaena fausta) gefunden werden. Diese Beobachtung und weitere Meldungen veranlassten den Autor, potentielle Habitate genauer zu untersuchen. Er fand eine kleine Population am Haselberg zusammen mit Steffen Schmidt und Annette Scholley Pfab, die zuletzt durch Schmidt 2015 bestätigt wurde (Abb. 10) und kurz darauf eine Population mit über 30 Individuen am Doktorberg (Abb. 11). Diese Population war bis 2022 sehr stabil und es konnten zeitweise über 40 Individuen gezählt werden (Abb. 9). Die Tiere unterscheiden sich in der Zeichnung von den anderen Populationen in Bayern. Die Färbung erscheint bunter mit einem fast goldenen Farbton (Abb. 1 und 12). Dies scheint mit der anderen Farbe des Gesteins (höherer Tongehalt) dort zu korrelieren. Leider kam es 2023 zu einem Bestandseinbruch, es konnten nur noch maximal fünf Individuen beobachtet werden, dies war auch 2024 die höchstanzahl an Individuen (Peter Hougardy). Die Gründe dafür dürften in einer deutlichen Verkleinerung der Habitatflächen liegen. Chazara briseis flog 2014 noch auf einer zwei- bis dreimal so großen Fläche wie die aktuellen Funde, die sich auf einen sehr kleinen Bereich im westlichen Teil des steinigen und dort intensiv beweideten Südhanges konzentrieren. Alle anderen ehemals besiedelten Flächen sind aufgrund der höheren Vegetation für die Art nicht mehr geeignet. Vermutlich spielen hier die erhöhten Stickstoffeinträge eine Rolle, die zu einer Bromisierung bzw. Vertrespung der Habitate führen. Auch hier besteht inzwischen ein sehr hohes Aussterberisiko.
Bild 9: Anzahl der maximal beobachteten Imagines am Doktorberg pro Jahr. Jahre 2019 und 2020 nicht gewertet, da zur Hauptflugzeit kein Besuch der Habitatflächen.
Bild 10: Habitat am Haselberg bei Eichstätt, 18. August 2014 (Foto Oliver Böck)
Bild 11: Habitat am Doktorberg bei Eichstätt, 18. August 2023 (Foto: Oliver Böck)
Bild 12: Berghexe Weibchen, Eichstätt Doktorberg, 20. August 2021 (Foto: Thomas Netter)
Chazara briseis ist im Untersuchungsgebiet in den letzten 20 Jahren sehr stark zurückgegangen und steht dort kurz vor dem Aussterben. Als Hauptgründe gelten die Abnahme der Beweidungsintensität, die Sukzession und damit das Einwachsen von Kalkscherben in die Vegetation, sowie das verschwinden von Rohbodenstellen. Das Mikroklima der Lebensräume verändert sich und ist für die Art nicht mehr geeignet. Zudem führt die Vertrespung der Magerrasen durch Stickstoffeinträge zu einem schnelleren Aufwuchs und einer Veränderung des Vegetationsbildes. Die Aufrechte Trespe (Bromus erectus) dominiert inzwischen viele Kalkmagerrasen, die zunehmend verfilzen. Als akute Sofortmaßnahmen für den Lorenzberg sollte eine Beweidung in engem Gehüt drei- bis viermal im Jahr erfolgen und über rohbodenöffnende Maßnahmen entlang der Hangkante, der Plateauflächen und des Holzlagerplatzes nachgedacht werden, um die Habitatflächen wieder zu vergrößern. Der erste Weidegang sollte spätestens Mitte Mai erfolgen, um dem Aufwuchs entgegenzuwirken. Alternativ könnte am Steilhang eine temporäre Ziegenkoppel mit geringer Besatzdichte, mit einem Nachtpferch außerhalb der Fläche eingerichtet werden. Gleiches gilt für den Ober- und Mittelhang des Doktorberges. Die Habitatfläche muss wieder vergrößert werden, wobei Maßnahmen zur Öffnung des Rohbodens bei Verfilzung der Flächen zu diskutieren sind. Ein Nachzuchtprogramm scheint heute für die Erhaltung der Art unerlässlich zu sein. In Tschechien konnte die Art dadurch an mehreren Stellen wieder etabliert werden (Sucháčková Bartoňová et al. 2021). Auf beiden Flächen ist ein drei- bis viermaliges Monitoring pro Jahr erforderlich. Dies soll auch im Morsbachtal erfolgen, um die Populationsgröße genauer zu bestimmen. Bei Trugenhofen und Titting kann bei erfolgreicher Erhaltungszucht an eine Wiederansiedlung der Art gedacht werden. Die Pflege ist inzwischen wieder auf Chazara briseis abgestimmt. Meldungen an das Portal Schmetterlinge in Bayern sind gerne erwünscht.
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Bild 1: Streifenbläuling Männchen, Gailachtal, 8. Juli 2015 (Foto Oliver Böck)
Bild 2: Streifenbläuling Weibchen, Gailachtal, 25. Juli 2013 (Foto: Markus Dumke)
Aussterbeprozesse von Tagfalter lassen sich an Hand von jahrelangen eigenhändigen Aufzeichnungen und Literaturrecherche in manchen Gebieten besonders gut darstellen. Polyommatus damon ist im Untersuchungsgebiet der Südlichen Frankenalb ein Bewohner von niedrigwüchsigen mageren und lückigen Kalkmagerrasen mit reichlichen Beständen der Raupenfutterpflanze Futteresparsette (Onobrychis viciifolia). Dabei handelt es sich meist um Hänge in südwestlicher bis südöstlicher Exposition. Daneben werden noch Initialmagerrasen mit Esparsettenbeständen in den Steinbrüchen oder Wegböschungen besiedelt. Der Streifenbläuling war früher in der Südlichen Frankenalb mit einigen Fundorten vertreten und zeigte in einigen Gebieten eine weitere Verbreitung wie zum Beispiel in den Steinbrüchen und Magerrasen rund um Solnhofen und im Gailachtal. Dort kam er durch die günstige Verzahnung von Steinbrüchen und Kalkmagerrasen in einem Metapopulationssystem vor. Heute gibt es im ganzen Gebiet wahrscheinlich nur noch eine isolierte Population, die trotz Pflegemaßnahmen kurz vor der Extinktion steht.
In der Südlichen Frankenalb war die Verbreitung schon immer auf die Altmühl, die Anlauter, die Donau und das Wellheimer Trockental beschränkt. Schmid (1885) hat die Art in der Umgebung von Kelheim nachgewiesen, dort von Metschl und Sälzl (1923) nicht mehr gefunden. Diese führten das Gebiet entlang der Donau zwischen Bad Abbach und Oberndorf, sowie die Mattinger Hänge an. Ein Vorkommen an der Anlauter bei Emsing. In der Gegend um Eichstätt war die Art zu Beginn des 20. Jahrhunderts häufig, wie die zahlreichen Blütenbeobachtungen belegen (Bachmann 1912). Knörzer (1918) nannte sie sogar als sehr häufig für den Juli und den August. Müller (1976) fand die Art um Dollnstein und im Wellheimer Trockental. Wahrscheinlich aus dem Katzental stammt der von Thöny (1995) angegebene Fund von 1973. Noch in den 1980er und Beginn der 1990er Jahren war die Art nicht selten in den Magerrrasen und Steinbrüchen in der weiteren Umgebung von Solnhofen bis in das Treuchtlinger Schambachtal. Ein starkes Vorkommen bei Haunsfeld (Dolek 1994) wurde nachweislich durch die Umstellung der Beweidung durch die UNB in den 1990er Jahren ausgerottet, denn gezielte Nachsuchen in den 2000er Jahren erbrachten keine Bestätigung des Vorkommens mehr.
Noch Anfang der 2000er Jahre konnte der Streifenbläuling auf folgenden vier Flächen regelmäßig und teilweise in größerer Stückzahl nachgewiesen werden. Mörnsheim Blauberg und Horstberg mit Steinbrüchen, Mühlheim Lorenzberg und Tagmersheimer Leite mit Steinbrüchen (Übersicht der Fundorte in Bild 3). Die letzten Beobachtungen aus den direkt umgebenden Flächen rund um Mühlheim stammen alle von 2006. Hiefür dürften unter anderem falsche Beweidungszeitpunkte verantwortlich sein. Der letzte Fund aus einem anderen Gebiet stammt von einem Weibchen aus den Steinbrüchen in der Langenaltheimer Haardt ebenfalls aus dem selben Jahr. Danach konnte die Art zwischen 2006 und 2010 nicht mehr wiedergefunden werden. Am Horstberg erfolgten zwei Nachweise in den letzten 10 Jahren, während sie bis 2020 in den Magerrasen am Blauberg mit Steinbruch regelmäßig gefunden wurde, meist an den selben Stellen, teilweise mit mehreren Exemplaren so in den Jahren 2013 und 2015. Der aktuelle Letztnachweis am Horstberg stammt aus dem Jahr 2022. Aktuell konnten am Blauberg wieder einzelne Individuen nachgewiesen werden.
Der aktuellste Fundort ist der magerste und lückigste im ganzen Hangbereich, der nun wieder mit deutlich besseren Onobrychis-Vorkommen bestanden ist, was an der auf die Art mittlerweile abgestimmten Beweidung liegt (Bild 4).
Bild 3: Ehemalige und aktuelle Verbreitung des Streifenbläulings in der Umgebung von Solnhofen
Bild 4: Teilausschnitt des Habitats des Streifenbläulings, Gailachtal, 19. Juli 2013 (Foto: Thomas Netter)
Nachdem die Art 2023 nicht mehr gefunden wurde, konnten 2024 wieder einzelne Individuen nachgewiesen werden. Es besteht weiterhin ein sehr hohes Aussterberisiko trotz einer nun seit mehreren Jahren auf Polyommatus damon abgestimmten Beweidung. Ein Grund dafür liegt in der Vertrocknung der Esparsetten in den letzten heißen Sommern. Die Keimung der Pflanzen verlief nicht optimal und es wurden nur selten kräftige und vitale Bestände gefunden, welche bei der Eiablage präferiert werden. Jede Meldung ist gerne auf unserem Portal erwünscht.
Ein besonderer Dank gilt Dieter Kleiser für die Übermittlung von Daten bei Mühlheim aus den 1990er Jahren.
Literatur:
Bachmann, M. (1912): Beobachtungen über blütenbesuchende Insekten in der Eichstätter Alp. – Mitteilungen der Münchner Entomologischen Gesellschaft 003: 14-16.
Dolek, M. (1994): Der Einfluss der Schafbeweidung von Kalkmagerrasen in der Südlichen Frankenalb auf die Insektenfauna (Tagfalter,Heuschrecken). Agrarökologie Bd. 10, 126 S., Haupt Verlag, Bern.
Knörzer, A. (1918): Beiträge zur Kenntnis der mittelfränkischen Insektenfauna. Beilage Wissenschaftliche Beilage zum Jahresberichte der katholischen Universität Eichstätt 1917/18. 1-15.
METSCHL, C., SÄLZL, M. (1923): Die Schmetterlinge der Regensburger Umgebung unter Berücksichtigung früherer Arbeiten, insbesondere der „Lepidopteren-Fauna der Regensburger Umgegend mit Kelheim und Wörth von Anton Schmid. 1. Teil: Großschmetterlinge.
Müller, R. (1976): Die Tagfalter aus den Beobachtungsgebieten Augsburg-Donauwörth-Neuburg/D.-Eichstätt-Dollnstein-Mühlheim.
Schmid, A. (1885): Die Schmetterlinge der Regensburger Umgegend mit Kehlheim und Wörth.
Thöny, H. (1995): Beitrag zur Schmetterlingsfauna der Region Ingolstadt/Eichstätt Dokumentation der Großschmetterlinge von Ingolstadt und seiner Umgebung – facetta – Berichte der Entomologischen Gesellschaft Ingolstadt e.V. – Supp1: 1 – 255.
Foto 1: Hofdame, Landkreis Bad Kissingen, 10. Mai 2009 (Foto: Maximilian Schmucker)
Foto 2: Hofdame, Landkreis Forchheim, 8. Mai 2010 (Foto Jürgen Mayrock)
Summary: Unfortunately, there is no precise overview of the distribution of many extremely attractive and rare moth species in Bavaria. This article aims to close one of these gaps to a large extent. The new findings of the Brown Tiger Moth (Arctia aulica) in the Main Franconia region were a good reason to check old literature data and to map the current distribution of the species as accurately as possible. In doing so, own behavioral observations of adults and caterpillars are discussed and the current and, as far as reconstructable, former situation in the individual natural areas is presented. Endangerment factors are also mentioned and the habitat is described in words and pictures. Where appropriate, there are suggestions for follow-up searches and the form of current maintenance of the areas is discussed. In order to illustrate the value of these areas, the authors name further valuable species of these mostly very xerothermic biotopes. The current distribution in Main Franconia is described in detail, a further distribution can be assumed along highway embankments and surrounding areas. The habitats there are less xerothermic than in other regions. As the species only occurs extremely locally in Germany and is listed as threatened with extinction in the current Red List, it should also be treated as a priority in maintenance measures, as it only has reasonably stable populations in two other federal states (Thuringia and Brandenburg), Bavaria has a special responsibility to preserve the species. Reports can be submitted to the portal https://www.schmetterlingebayern.de/.
Leider gibt es zu vielen äußerst attraktiven und seltenen Nachtfalterarten keine genaue Übersicht über deren Verbreitung in Bayern. Eine dieser Lücken soll mit diesem Artikel weitgehend geschlossen werden. Durch die Neufunde der Hofdame (Arctia aulica) in Mainfranken war dies ein gegebener Anlass alte Literaturangaben zu prüfen und die aktuelle Verbreitung der Art möglichst genau abzubilden. Dabei wird auf eigene Verhaltensbeobachtungen der adulten Tiere eingegangen und die aktuelle und so fern rekonstruierbar ehemalige Situation in den einzelnen Naturräumen dargestellt. Dabei werden ebenfalls Gefährdungsfaktoren genannt und das Habitat in Wort und Bild gezeigt. Wo sinnvoll, gibt es Anregungen zur Nachsuche und die Form der aktuellen Pflege der Flächen wird erörtert. Um die Wertigkeit dieser Gebiete darzustellen, nennen die Autoren weitere wertgebende Arten dieser meist sehr xerothermen Biotope. Die aktuelle Verbreitung in Mainfranken ist genau dargestellt, eine weitere Verbreitung kann man entlang von Autobahnböschungen und umgebenden Flächen vermuten. Die Habitate sind dort weniger xerotherm wie in anderen Regionen. Da die Art in Deutschland nur äüßerst lokal vorkommt und in der noch aktuellen Roten Liste als vom Aussterben bedroht geführt wird, soll sie ebenfalls prioritär bei Pflegemaßnahmen behandelt werden, da sie sonst nur noch in zwei anderen Bundesländern (Thüringen und Brandenburg) halbwegs stabile Vorkommen besitzt, hat Bayern eine besondere Verantwortung zum Erhalt der Art. Meldungen können gerne in das Portal https://www.schmetterlingebayern.de/ eingegeben werden.
Die Hofdame (Arctia aulica) aus der Unterfamilie der Bärenspinner (Arctiinae), ist in Bayern sehr lokal in verschiedenen Naturräumen vertreten. Die Männchen fliegen tagsüber meist am späten Vormittag und um die Mittagsstunden und kommen nicht ans Licht, während sich die Weibchen meistens in der Vegetation verkriechen. Im Raupenstadium ist die Art deutlich einfacher nachzuweisen. Hierzu eignen sich besonders zwei Zeiträume: An den letzten warmen Herbsttagen laufen die Larven in ihrem Habitat auf der Suche nach Überwinterungsverstecken in der für Bärenspinner typischen schnellen Gangart herum und sind dann besonders entlang von Wegen leicht zu entdecken. Oft findet man dort auch tote Larven. Im Spätwinter oder im zeitigen Frühjahr verlassen die Raupen an den ersten warmen Tage ihre Verstecke wieder und begeben sich auf Nahrungssuche, wobei sie wiederum umherlaufend angetroffen werden können. Manchmal werden die Raupen auch einige Wochen später auf der Suche nach einem Verpuppungsplatz noch einmal gefunden. Im letzten Raupenstadium sind die Haarbüschel auf dem Rücken und an den Seiten der Larven auffallend fuchsrot gefärbt (Foto 8). Unmittelbar vor und nach der Überwinterung gefundene Larven sind meist nur an der unteren Körperhälfte rötlich gefärbt (Foto 6). Auffallend sind besonders die sehr langen Haare am Hinterleib. Nachdem Meldungen zu dieser Art bis in die Mitte der 2010er Jahren spärlich waren, ergaben sich teilweise überraschende Neufunde in Mainfranken in gut untersuchten Gebieten.
Laut Metschl & Sälz 1932-35 war die Art fast gewöhnlich für viele Lokalitäten im Kalk- und Granitgebiet um Regensburg, Einst an der Naab und der Donau. Neumayr et al. 1987 konnten die Art nur noch um Kallmünz feststellen, dort damals schon stark gefährdet und seit 2008 (Kallmünz, Eicher Berg) nicht mehr gefunden, trotz einiger Nachsuchen. Die lückigen flechtenreichen Erdseggenrasen sind nur noch kleinflächig vorhanden. Die besiedelten Bereiche unterhalb der Felsen verbuschen zusehends (Foto 2). Rückgang ebenfalls durch Bromisierung der Magerrasen (mehr Grasaufwuchs durch Stickstoffeinträge) sowie die Umstellung der Beweidung von Hütehaltung auf Koppelhaltung mit zu hoher Besatzdichte, was sich auch auf andere Arten wie den Westlichen Quendelbläuling (Pseudophilots baton) äußerst negativ auswirkte. Beide Arten kommen dort nicht mehr vor. Das gleiche Schicksal könnte auch die Regensburger Sandbiene (Andrena aberrans) ereilt haben. Seit 2010 dort, trotz intensiver Nachsuchen nicht mehr gefunden, damals noch Nachweise vom Schloßberg Naabtalhang und vom Hirmesberg.
Foto 3: Ehemaliges Habitat der Hofdame, Kallmünz, Eicher Berg, Letztnachweis 2008, 28. Juni 2021. Foto: Oliver Böck
Ein Nachweis von 2004 aus dem Unteren Altmühltal (Südliche Frankenalb) konnte in den letzten Jahren nicht bestätigt werden. Gemähte Flächen sind verzahnt mit Steinschutthalden mit Nachweisen zur Rotflugeligen Ödlandschrecke (Oedipoda germanica). An der Brandt bei Kelheim kommt diese seltene Heuschrecke ebenfalls vor, eine erfolgreiche Wiederentdeckung der Hofdame ist eventuell noch möglich. Wahrscheinlich aus den Plattenkalk-Steinbrüchen oder Magerrasen in deren Umgebung bei Wintershof stammen zwei Belegexemplare aus den Jahren 1973 und 1983 (Thöny 1995). Das Gebiet ist bekannt für seine reiche Fauna. Parnassius apollo, Polyommatus daphnis und auch hier Oedipoda germanica sind zu nennen. Geeignete Habitate finden sich im Landkreis noch an verschiedenen Stellen unter anderem am Doktorberg und benachbarten Hängen bei Eichstätt oder in den verschiedenen Steinbrüchen zwischen Eichstätt und Langenaltheim. Am Hahnenkamm im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen wäre eine Nachsuche von Interesse, da dort ebenfalls ehemalige Branntkalkentnahmestellen und scherbenreiche sowie flechtenreiche und lückige Kalkmagerrasen bestehen.
In der Nördlichen Frankenalb im Staffelberggebiet und Umgebung ehemals weiter verbreitet. Letztnachweis von 1995 am Staffelberg und am Morgenbühl. Aktuelle Situation dort unklar wie Im Weismainjura wo ebenfalls von der Kötteler Leite ein Nachweis aus 1995 stammt (Hacker 1995). Ein Vorkommen bei Forchheim. Dort aktuell in einem xerothermen, steilen, felsigen und lückigen Magerrasen gefunden (Foto 4). Dieser weißt ebenfalls einen Anteil an Kalkschuttfluren auf und wird durch eine gemischte Schaf- und Ziegenherde (Merinoschafe und Burenziegen) beweidet Diese wird außerhalb der für die Hofdame relevanten Flächen gepfercht. Teilbereiche werden teilweise zweimal bestossen. Weitere ehemalige Fundorte werden in Wittstadt (1960) genannt, leider ohne präzises Datum. Daneben noch ältere Funde aus dem Muschelkalkzug zwischen Bayreuth und Kulmbach dort zuletzt 1993 (schriftl. Mitt Gick), bei Bayreuth 1964 (Rössler 1969). Gemein ist allen Fundorten, dass die Art einst auf allen Flächen mit anderen xerothermen Arten wie z.B. der Berghexe (Chazara briseis) gemeinsam vorkam. Weidemann & Leitz (1995) nannten die Hofdame, zusammen mit dieser, als Charakterart der Werkkalkstufe scherben- und flechtenreichen Magerrasen unter anderem in der näheren Umgebung zu Branntkalkentnahmestellen am Morgenbühl und am Staffelberg. Die Kötteler Leite ist ein felsenreicher xerothermer Hang von dem es von 2015 bis 2018 Nachweise von Parnassius apollo gibt (Geyer 2019). Leider sind diese Vorkommen durch Verbuschung und Eutrophierung bedroht. Art ist für Massenwechsel durch Prädatoren und den Befall mit der Pilzart Empusa aulicae bekannt. Am Staffelbergplateau damals durch Düngung verschwunden.
Foto 4: Hofdame Larvalhabitat, felsenreicher und lückiger Magerrasen im Landkreis Forchheim, 10. April 2009 (Foto: Jürgen Mayrock)
Überraschenderweise derzeit viele Neufunde.in Mainfranken. Einerseits auf der Marktheidenfelder Platte in einem Kalkmagerrasen und auf einem steinigen Bahndamm festgestellt. Andererseits auf der Wern-Lauer-Platte regelmäßig in durch Wintermahd offengehaltenen, in früherer Zeit beweideten Kalkmagerrasen (dort auch Falternachweise). Diese Pflegeform besteht auf Grund eines Wasserschutzgebietes. Gute Bestände des Zahnflügelbläulings (Polyommatus daphnis) (Böck 2024), andere wertgebende Arten wie der Streifenbläuling (Polyommatus damon) erst kürzlich ausgestorben. Die Hofdame wurde schon von Stöckert (1978) dort beobachtet. In jüngster Zeit auch Nachweise entlang der 2005 fertiggestellten Autobahn A 71. Eine weitere Verbreitung in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld erscheint möglich, da die Autobahnböschungen in Kombination mit den Ausgleichsflächen als gut verzahnter Ausbreitungskorridor dienen könnten. Gesucht werden sollte entlang von steinigen Straßenböschungen an benachbarten Wegrändern, Magerrasen und Trockenwiesen, vor allem in der Nähe der Autobahn. Beispiele hierfür sind die Ausgleichsflächen und Strassenböschungen zwischen der Ausfahrt Bad Kissingen Oerlenbach bis zum Esenberg südöstlich von Strahlungen und am Autobahnkreuz Bad Neustadt, Diese Flächen werden teilweise gemäht. Die Art scheint in Mainfranken auch andere Ersatzhabitate wie Bahnstützdämme anzunehmen, dort und in benachbarten Magerrasen sollte genauer nach ihr gesucht werden, Funde vor allem auf der Wern-Lauer-Platte teilweise nicht so xerotherm wie in der Literatur oft angenommen (Fotos 5 und 6).
Foto 5: Larve der Hofdame im Habitat, Landkreis Bad Kissingen,15. Februar 2024 (Foto: Maximilian Schmucker)
Foto 6: Hofdame Larvalhabitat auf einer Kalkmagerrasen-Lichtung im Landkreis Rhön-Grabfeld, 24. Februar 2024 (Foto: Maximilian Schmucker)
Foto 7: Hofdame jüngeres Larvalstadium auf einer Kalkmagerrasen-Lichtung im Landkreis Rhön-Grabfeld, 24. Februar 2024 (Foto: Maximilian Schmucker)
Zudem findet sich die Hofdame im Naturraum Passauer Abteiland und Neuburger Wald an zwei Strassenböschungen. Im Gegensatz zu allen anderen aktuellen bayerischen Fundorten hier auf Urgestein (Granit) und nicht auf Kalk. Der Fundort (Foto 8) ist durch seinen xerothermen Charakter gekennzeichnet und leider durch Verbuschung bedroht. Eine ständige Nachpflege (Entbuschungsmaßnahmen) ist dringend notwendig. Weiterhin ein großes Aussterberisiko durch die Isolation und das Überfahren der umherwandernden Raupen. Ein Pflegeplan muss dabei gezielt auf diese Art abgestimmt werden. Desweiteren durch Stickstoffeinträge (Bromisierung) gefährdet. Die Festuca-Horste auf felsigen Untergrund sind dort das Larvalhabitat. Kratochwill fand auch eine erwachsene Raupe an Spitzwegerich (Plantago lanceolata) und ein Eigelege an Salbei-Gamander (Teucrium scorodonia) (www.schmetterlinge-deutschland.de). Der lückige Charakter der Fläche gehört dringend erhalten, über rohbodenöffnende Maßnahmen muss dringend nachgedacht werden.
Foto 8: Hofdame Lebensraum Strassenböschung, 13. Mai 2018 Landkreis Passau (Foto: Oliver Böck)
Foto 9: Hofdame erwachsene Raupe, Landkreis Passau, 22. März 2024 (Foto: Dr. Rudi Ritt)
Insgesamt ist die Hofdame weiterhin bundesweit vom Aussterben bedroht. Aufgrund der geringen Verbreitung in Deutschland besitzt Bayern eine hohe Verantwortung zur Erhaltung der Art. Zusammen mit den Beständen in der Oberlausitz und Thüringen dürften die bayerischen Vorkommen die stabilsten sein. Die oben genannten Gefährdungsursachen müssen reduziert (auch Gefährdung der umherwandernden Raupen durch PKW`s und Fahrräder möglicherweise durch Hinweisschilder zu minimieren) und eine genauere Untersuchung zu den Populationen in Mainfranken und im Staffelberggebiet sollte dringend angestossen werden. Dabei sollte man speziell auf die Habitatansprüche achten, um ein optimales Pflegeregime für Arctia aulica zu gewährleisten. Meldungen zur Art sind auf unserem Portal gerne erwünscht. Die aktuelle Verbreitung kann ebenfalls hier abgerufen werden.
Dieser Artikel wurde von Maximilian Schmucker (vor allem Beobachtungen zu den neuen Vorkommen in Mainfranken) und Oliver Böck (Literaturrecherche, Gefährdungs- und Schutzmaßnahmen in den Gebieten außerhalb Mainfrankens), gemeinsam erstellt.
Ein besonderer Dank gilt den Bildliferanten Dr. Rudi Ritt und Jürgen Mayrock, sowie in memoriam Manfred Gick für die Überlassung seiner Daten zu interessanten Arten.
Onilneliteratur:
Böck, O.: Gefährdungslage des Zahnflügelbläulings (Polyommatus daphnis) in Bayern. Blog zu Schmetterlinge in Bayern. https://blog.schmetterlingebayern.de/2024/03/30/gefaehrdungslage-des-zahnfluegelblaeulings-polyommatus-daphnis-in-bayern/
Kratochwill, M. (2024): Arctia aulica – Artseite der Spezies: http://www.schmetterlinge-deutschland.de/mod/arten-portraits.php?gruppe=ALLE&familie=ALLE&gattung=ALLE&art=aulica&dtname=ALLE&submit_ok=Portraits%20anzeigen&thumbgroesse=klein&bildgroesse=klein&mainindex=none&arten_zusatzindex=ON&sortorder=kr_nr&openmethod_ag=_blank&resultpage=arten-portraits. abgerufen am 20.04.2024
Literatur:
GEYER, A. (2019): Der Apollofalter im Kleinziegenfelder Tal – Erhaltung und Sicherung der letzten Population in der Fränkischen Schweiz.– ANLiegen Natur 41(1): 113–122, Laufen
Hacker, H. (1995): Bestandsentwicklung und -rückgang einheimischer Schmetterlinge in diesem Jahrhundert, dargestellt am Beispiel des Landkreises Lichtenfels (nördlichster Frankenjura) (Insecta: Lepidoptera). Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 1: 97–149.
Metschl, C. & Sälzl, M. (1932-35): Die Schmetterlinge der Regensburger Umgebung. Dt. Ent. Z. Iris 46 (1932): 144-152; 47 (1933) 41-59, 167-187; 48 (1934) 78-104, 161-183; 49 (1935) 58-64. Dresden.
Neumayr, L., Segerer, A.H., Fenzl, P.; Neuner, A. (1987): Interessante „Makrolepidopteren“ – Funde aus Regensburg und Umgebung (2) (3. Beitrag zur Kenntnis der Schmetterlingsfauna von Regensburg) – Galathea, Berichte des Kreises Nürnberger Entomologen e.V. – 3: 128 – 140.
Rössler, G. (1969): Schmetterlingsbeobachtungen am Untersteinacher Weinberg. Teil 2: Spinner und Schwärmer — Berichte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Bayreuth 13 – Seite 149-162.
Stöckert, B. (1978): Die Spinner und Schwärmer des Bamberger Umlandes – Bericht der naturforschenden Gesellschaft Bamberg – 53: 100 – 143.
Thöny, H. (1995): Beitrag zur Schmetterlingsfauna der Region Ingolstadt/Eichstätt Dokumentation der Großschmetterlinge von Ingolstadt und seiner Umgebung – facetta – Berichte der Entomologischen Gesellschaft Ingolstadt e.V. – Supp1: 1 – 255.
Weidemann, H.J. & Leitz, F. (1995): Zu Rückgang bzw. Verschwinden von xerothermen Schmetterlingen und Heuschrecken in der nördlichen Frankenalb – unter Berücksichtigung der traditionellen Bewirtschaftungsform „kleinbetriebliche Branntkalkgewinnung“ – Bericht der naturforschenden Gesellschaft Bamberg – 70: 47 – 76.
Wittstadt, H. (1960): Die Großschmetterlinge des Regnitzgebietes – Bericht der naturforschenden Gesellschaft Bamberg – 37: 62 – 154.
Felshalden-Flechtenbärchen, Landkreis Kelheim, 03. Juni 2017 (Foto: Oliver Böck)
Summary: Setina roscida is a diurnal moth from the subfamily of the beetle moths (Arctiinae), it is considered the leading species of variegated earth lichen communities. In Bavaria, the nominate species Setina roscida roscida is found, while the populations in north-eastern Germany belong to the subspecies Setina roscida kuhlweinii. It is one of the rarest moth species in Germany and current records (after 2010) of the nominate species exist outside Bavaria only from the Nahe in Rhineland-Palatinate. This article describes the current population situation of the species, which is threatened with extinction throughout Germany and Bavaria, with a special focus on the current occurrences in Bavaria. Through literature research, the former distribution of the species could be determined in more detail. Observations on the behavior of the larvae as well as the habitat preferences (rocky steppe heaths and and xerotherm sedge grasslands) of this species are presented. In addition, information is provided on the current endangerment situation, on protection and conservation measures and on other special species with which Setina roscida shares former and current habitats, such as the spider species Eresus sandaliatus. Distinctive features of Setina irrorella, which also occurs at the flight site near Kelheim, are mentioned. Searches in Main Franconia are of particular importance, as the last records from there date back to 2012. Potential and former habitats there are mentioned, while the author has searched along the rivers Laaber and Naab several times without success. Please report the species to the portal https://www.schmetterlingebayern.de/
Das Felshalden-Flechtenbärchen (Setina roscida) ist ein tagaktiver Nachtfalter aus der Unterfamilie der Bärenspinner (Arctiinae), Es gilt als Leitart von Bunten Erdflechtengesellschaften. In Bayern kommt die Nominatart Setina roscida roscida vor, während die Populationen in Nordostdeutschland zur Unterart Setina roscida kuhlweinii gerechnet werden. Sie ist eine der seltensten Nachtfalterarten in Deutschland und aktuelle Nachweise (nach 2010) zur Nominatart existieren außerhalb von Bayern nur noch von der Nahe in Rheinland-Pfalz. In diesem Artikel wird die aktuelle Bestandssituation der bundes- und bayernweit vom Aussterben bedrohten Art dargelegt, mit speziellen Blick auf die aktuellen Vorkommen in Bayern. Durch Literaturrecherche konnte die frühere Verbreitung der Art näher eruiert werden. Beobachtungen zum Verhalten der Larven, sowie die Habitatpräferenzen (Felssteppenheiden und xerotherme Erdseggenrasen) dieser Art werden aufgezeigt. Daneben finden sich noch Angaben zur aktuellen Gefährungslage, zu Schutz- und Pflegemaßnahmen und zu anderen besonderen Arten mit der sich Setina roscida die ehemaligen und aktuellen Lebensräume teilt, wie zum Beispiel mit der Spinnenart Eresus sandaliatus. Unterscheidungsmekrmal zu Setina irrorella, die auch am Flugort bei Kelheim vorkommt, werden genannt. Von besonderer Bedeutung sind Nachsuchen in Mainfranken, da von dort zuletzt Nachweise von 2012 stammen. Potentielle und ehemalige Habitate dort werden genannt, während der Autor entlang der Flüsse Laaber und Naab mehrmals erfolglos gesucht hat. Meldungen zur Art bitte an das Portal https://www.schmetterlingebayern.de/
Beobachtungen der Art von 11-17 Uhr, gegen 15 Uhr durch Steffen Schmidt Nachweise zu Paarungsflügen wo bis zu fünf Individuen gefunden werden konnten (https://forum.lepiforum.org). Zumindest unter Zuchtbedingungen und bei Gabe von befeuchtetem Moos konnte er die Raupen in der letzten Haut unter tags beobachten. Seine Beobachtungen werden hier wörtlich übernommen: „Im Schatten oder bei Bewölkung ganztags, bei praller Sonne nur in schattigen Ritzen zwischen Steinen und Moos, welches sie dann wurzelseitig als Nahrung nahmen. Bei der kleinsten Störung, etwa stärkerem Wind oder Bewegung, verkrochen sich die Raupen auch bei Bewölkung – um die Nahrungsaufnahme an den Wurzeln von Moosen und Flechten fortzusetzen. Steinflechten werden genommen, aber nur, wenn diese Abends befeuchtet werden, wie es auch im Lebensraum passieren dürfte. Richtig heiße und trockene Bedingungen scheinen die Raupen problemlos zu überstehen, sie nehmen dann jedoch in der Zucht (meiner Erfahrung nach) keine Nahrung am Tage auf… für Raupennachweise dürfte ein bewölkter Tag Ende März oder Anfang April durchaus vielversprechend sein, am besten Morgens bis etwa 11 Uhr“. Die gefundenen Raupen wurden nur zur Bestimmung eingetragen, da am Fundort auch das Trockenrasen-Flechtenbärchen (Setina irrorella) vorkommt, die geschlüpften Falter wieder punktgenau im Habitat ausgesetzt. Daneben gelang auch der Nachweis einer 2. Generation (https://forum.lepiforum.org). Zur Hauptflugzeit werden regelmäíg 15-30 Exemplare gefunden.
Setina roscida war in Bayern vornehmlich im Oberpfälzer Jura (Mittlere Frankenalb sowie im östlichen Teil der Südlichen Frankenalb) sehr lokal verbreitet. Ein zweiter Verbreitungsschwerpunkt lag in den Mainfränkischen Erdseggenrasen, Nachweise dort auch aus den 1990er Jahren (Tannert 1994 und Weidemann & Köhler 1996). Wahrscheinlich aus den Plattenkalk-Steinbrüchen bei Wintershof stammen vier Meldung zwischen 1979 und 1985 (Thöny 1995). Zudem führt sie Wittstadt (1960) aus der Nördlichen Frankenalb für folgende Orte auf: Abhänge der Ruine Streitberg (Funde von 1922-1934), östlich von Veilbronn (1947) und einmal im Aufseßtal (1952). Bei Nachsuchen im Bereich der ehemaligen Fundorte bei Laaber, Undorf, Deuerling (Metschl & Sälzl 1932-35) auf der Kelheimer Brannt und Kallmünz (Schloßberg, Eicher Berg, Hirmesberg) gelang leider kein Nachweis. Erdseggenreiche, flechtenreiche und steile teilweise felsdurchsetzte Magerrasen existierten dort bis Ende der 2000er Jahren an der Pfarrerplatte und dem Eitelberg zwischen Deuerling und Undorf, am Martinsberg bei Laaber, am Eicher Berg und Hirmesberg bei Kallmünz. Heute dort nur noch kleinflächig zu finden, u.a. durch Eutrophierung oder Koppelhaltung der Flächen. Der in Segerer et al. 2013 genannte Fundort im Landkreis Kelheim konnte in letzter Zeit auch aktuell bestätigt werden.
Felshalden-Flechtenbärchen aktueller Fund, Landkreis Kelheim, 20. Mai 2024 (Foto: Oliver Böck)
Felshalden-Flechtenbärchen-Larve beim Fraß im Habitat, durch Zucht bestätigt, Landkreis Kelheim, 30. März 2018 (Foto: Steffen Schmidt), Falter wurden nach dem Schlupf wieder im Habitat ausgesetzt.
Felshalden-Flechtenbärchen Larvalhabitat, Landkreis Kelheim, 03. Juni 2017 (Foto: Oliver Böck)
Lebensraum Landkreis Kelheim, 13. Mai 2024 (Foto: Oliver Böck)
Art ist für ihre extremen Habitatansprüche bekannt. Sie mag es steil und sudöstlich bis sudwestlich exponiert. Die steinige, lückige und rohbodenreiche Felssteppenheide mit reichlich Erd- und Felsflechtenbewuchs muss dringend durch Beweidung in Hütehaltung offen gehalten werden. Zudem sollte über rohbodenöffnende Maßnahmen auf bromisierteren Flächen am Oberhang nachgedacht werden, die zur Vergrößerung der Habitatflächen führen. Derzeit dürfte die eigentliche Habitafläche nur zwischen einem und 1,5 Hektar betragen. Dort auch Funde von anderen bedeutenden xerothermen Insektenarten wie der Italienischen Schönschrecke (Calliptamus italicus) oder des Libellen-Schmetterlingshafts (Libelloides coccajus). Desweiteren konnte Steffen Schmidet mehrmals die Silberperlenwanze (Jalla dumosa, RL-Bayern 1) ebenda und an einem benachbarten Hang beobachten. Nachweise der Spinnenart Eresus sandaliatus, die daneben noch bei Kallmünz (Schloßberg, Eicher Berg, Hirmesberg) und am Eitelberg bei Undorf beobachtet wurde. Eine Koppelung der Flächen ist dringend zu vermeiden. Derzeit ist die Art im Gebiet stabil aber alleine die Isolation des Fundortes kann schnell zu einem Totalverlust führen.
Aktuell am 13.5.2024 vier Männchen und am 20.5.2024 drei Männchen und ein Weibchen. Die Population scheint kleiner geworden zu sein und die Art dürfte akut vor dem Aussterben stehen. Männchen waren sehr unruhig und flogen bei der kleinsten Störung auf.
In Mainfranken besitzt die Art aktuell ein Vorkommen das letztmalig 2012 bestätigt wurde (https://forum.lepiforum.org). Diese Meldungen konnten durch den Autor auf Grund der Punkte auf der Hinterflügeloberseite, welche der Schwesterart Setina irrorella in den Mittelgebirgen fehlen, genau bestimmt werden, zudem sind die frühe Flugzeit (Start in den ersten drei Maiwochen) und die geringere Größe weitere Indizien für Setina roscida. Eine eigene Nachsuche dort am 5.Mai 2017, bei bedecktem Himmel ergab ein Verdachtstier, welches aber leider nicht gekeschert werden konnte. Durch gezielte Beobachtungen sollte an allen ehemaligen Fundorten mit gut ausgeprägten flechtenreichen Erdseggenrasen wie am Giebel bei Eußenheim, am Ammerfeld bei Aschfeld, im NSG Grainberg-Kalbenstein und an der Ruine Homburg nach der Art dringend Ausschau gehalten werden. Hier muss die Beweidung der Flächen dringend erhalten werden, was sich auch positiv auf Arten wie Hipparchia semele oder Pyrgus carthami auswirkt.
Vorerst letzter Fundort (2012) in Mainfranken: lückiger Erdseggenmagerrasen bei Eußenheim, 5. Mai 2017 (Foto: Oliver Böck)
Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Art weiterhin akut vom Aussterben bedroht ist und nur alleine durch naturschutzfachliche Pflegemaßnahmen erhalten werden kann. Dabei ist dringend zu beachten den äußerst lückigen Charakter der Felssteppenheide beizubehalten und die Größe des Larvalhabitats zu vergrößern, denn davon profitieren auch andere hochgradig gefährdete Arten. Ein Monitoring ist dringend angeraten, da die wenigen Funde 2024 einen großen Anlass zur Besorgnis bieten. Über ein Zuchtprogramm sollte ebenfalls nachgedacht werden, da Steffen Schmidt aus den vier eingetragenen Raupen auch vier Falter erhielt, so scheint eine Erhaltungszucht wie sie es zum Beispiel in Tschechien für mehrere Arten unter anderem für die Berghexe (Chazara briseis) gibt, eine gute Option für den Erhalt zu sein (https://www.jarojaromer.cz/wp-content/uploads). Dieses Zuchtprogramm führte zur Wiederetablierung der Art an mehreren Stellen (Sucháčková Bartoňová et al. 2021). Im Moment ist der Fundort im Landkreis Kelheim der aktuellste in ganz Deutschland. Nachweise aus dem Kyffhäuser in Thüringen sind schon fast 20 Jahre alt, aktuell wahrscheinlich nur noch an der Nahe (Rennwald et al. 2011, Schuhmacher 2012). In der Unterart Setina roscida kuhlweinii zuletzt 2013 in Brandenburg (https://www.schmetterlinge-brandenburg-berlin.de). Somit trägt Bayern fast alleine die Verantwortung für dieses besondere Kleinod unserer einheimischen Fauna. Die Ermittlung über noch bestehende Vorkommen auf Mainfrankens Erdseggenrasen sollte ebenfalls eine besondere Priorität geniessen, um Artenhilfsmaßnahmen dort zu starten. Meldungen an unser Portal sind dringend erwünscht. Zur sicheren Bestimmung sollte auf Fotos der Hinterflügelunterseite geachtet werden. Die Verbreitung der Art ist ebenfalls dort zu finden, solange die Literaturangaben mit Datum oder genauerer Fundortangabe versehen waren.
Besonderer Dank an Dr. Steffen Schmidt für das Larvalfoto, zu den ökologischen Beobachtungen im Habitat und bei der Zucht.
Metschl, C. & Sälzl, M. (1932-35): Die Schmetterlinge der Regensburger Umgebung. Dt. Ent. Z. Iris 46 (1932): 144-152; 47 (1933) 41-59, 167-187; 48 (1934) 78-104, 161-183; 49 (1935) 58-64. Dresden.
Rennwald, E.; Sobczyk, T. & Hofmann, A. (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Spinnerartigen Falter (Lepidoptera: Bombyces, Sphinges s.l.) Deutschlands. – In: Binot-Hafke, M.; Balzer, S.; Becker, N.; Gruttke, H.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G.; Matzke-Hajek, G. & Strauch, M. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3): 243-283
Segerer, A.H; Lichtmannecker, P.; Haslberger, A.; Grünewald, T. (2013): Bemerkenswerte Schmetterlingsfunde aus Bayern im Rahmen laufender Projekte zur genetischen Re-Identifikation heimischer Tierarten (BFB, GBOL) – 3. Beitrag (Insecta: Lepidoptera) – Nachrichtenblatt der Bayerischen Entomologen – 062: 2 – 9.
Schumacher H. (2012): Biotoppflegemaßnahmen in der Gemeinde Schloßböckelheim – Melanargia – Nachrichten der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. – 24: 45 – 47.
Sucháčková Bartoňová, A.; Konvička, M.; Marešová, J.; Bláhová, D.; Číp, D.; Skala, P.; Andres, M.; Hula, V.; Dolek, M.; Geyer, A.; Böck, O.; Kadlec, T.; Faltýnek Fric, Z. (2021): Extremely Endangered Butterflies of Scattered Central European Dry Grasslands Under Current Habitat Alteration. Insect Systematics and Diversity. Volume 5, Number 5 – 1-18.
Tannert, R. (1994): Erhebungen zur Schmetterlingsfauna 1988 bis 1990 (Lepidoptera) Kalkhochplateau und exponierte Trockenrasenhänge westlich Aschfeld/Unterfranken – Galathea, Berichte des Kreises Nürnberger Entomologen e.V. – 10: 107 – 120.
Thöny, H. (1995): Beitrag zur Schmetterlingsfauna der Region Ingolstadt/Eichstätt Dokumentation der Großschmetterlinge von Ingolstadt und seiner Umgebung – facetta – Berichte der Entomologischen Gesellschaft Ingolstadt e.V. – Supp1: 1 – 255.
Weißer Waldportier Kopula, Landkreis Kelheim, 26. Juni 2014 (Foto: Markus Dumke)
Weißer Waldportier Raupe, Landkreis Kelheim, 21. Mai 2022 (Foto: Markus Dumke)
Der Weiße Waldportier (Brintesia circe) war in Bayern bis Anfang der 2010er Jahre auf die Kerngebiete der Südlichen (Gailachtal, Wellheimer Trockental, Usseltal, Unteres Altmühltal) und Mittleren Frankenalb (Truppenübungsplatz Hohenfels, Täler von Lauterach, Naab, Schwarzer Laaber und im Regensburger Jura) beschränkt, wo eine deutliche Zunahme der Individuendichten auf großflächigen Magerrasen zu verzeichnen ist. Da die Tiere sehr flugaktiv sind, können sie von dort aus auch benachbarte Flächen besiedeln. Vor allem in den letzten 10 Jahren breitet sich die Art aus. Entlang der Lauterach konnte inzwischen die Nördliche Frankenalb bis Pommelsbrunn erreicht werden. Weitere Ausbreitungen sind entlang der Naab bis ins Oberpfälzer Hügelland zu beobachten. An der Donau Einzelfunde von Vohburg bis Donaustauf, nördlich davon mehrere Nachweise im Falkensteiner Vorwald und entlang des Regen. Dort Einzelfunde bis in den Vorderen Oberpfälzer Wald. Neuerdings auch Sichtungen aus dem Hinteren Oberpfälzer und Bayerischen Wald. Weitere Beobachtungen im Passauer Abteiland und im Neuburger Wald. In der Südlichen Frankenalb inzwischen auch entlang der Wissinger und Weißen Laaber. Auf kleineren Magerrasen entlang der Donau östlich von Donauwörth. An der Altmühl fast geschlossenes Fluggebiet zwischen Treuchtlingen und Kelheim. Die Art scheint eine der wenigen zu sein, die vom Klimawandel und der aktuellen Pflege der Flächen profitieren und von der Vergrasung einiger Flächen nicht.betroffen zu sein scheint. Vereinzelt auf mesophilen Grünland wie zum Bespiel im Falkensteiner Vorwald auch in höheren Individuendichten beobachtet. Andererseits wie im Vorderen Oberpfälzer Wald ein Exemplar auf einem Granitxerothermrasen. Neufunde dürften bestimmt im Raum Chamer-Further-Senke im Regental zu tätigen sein. Alle Meldungen bitte gerne ins Portal stellen. Die weitere Ausbreitung der Art und die Reproduktion in den neu besiedelten Gebieten sollte weiter beobachtet werden.