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Der Faulbaum-Glasflügler (Synanthedon stomoxiformis) in Bayern – Verbreitung, Gefährdung, Ökologie und Nachweismethoden

Zusammenfassung

Der Faulbaum-Glasflügler (Synanthedon stomoxiformis) zählt zu den seltensten Glasflügler-Arten Bayerns. Er bewohnt trockenwarme Lebensräume mit Vorkommen seiner Wirtspflanzen Faulbaum (Frangula alnus) und Kreuzdorn (Rhamnus cathartica). Die Hauptverbreitungsgebiete in Bayern sind die Nördliche Frankenalb und die Mainfränkischen Platten. Aufgrund von Eutrophierung und unsachgemäßer Pflege ihrer Lebensräume ist die Art vom Aussterben bedroht. Eine effektive Nachweismethode ist die Suche nach den Schlupfröhren, die von den Raupen angelegt werden.

Abstract

Synanthedon stomoxiformis is one of the rarest species of clearwing moths (Sesiidae) occurring in Bavaria. It is found in xerothermic habitats with its host plants alder buckthorn (Frangula alnus) and common buckthorn (Rhamnus cathartica). The two main distribution areas of S. stomoxiformis in Bavaria are the Northern Franconian Jura and Lower Franconia. The species is regionally threatened with extinction due to eutrophication and inadequate nature conservation management. An effective method for detecting the species is searching for small tubes which the larvae construct of scrapings and silk in order to pupate and hatch from as adults.

Die Glasflügler (Sesiidae) sind eine Gruppe tagaktiver Nachtfalter, deren Vertreter auf den ersten Blick an Hautflügler wie zum Beispiel Wespen erinnern (Mimikry). Die Falter werden trotz ihrer Tagaktivität nur selten beobachtet. Auch die Raupen leben verborgen in ihren Fraßgängen im Stamm oder der Wurzel der Wirtspflanzen.

Eine der seltensten und am stärksten gefährdeten Arten in Bayern ist der Faulbaum-Glasflügler, auch Kreuzdorn-Glasflügler genannt (Abb. 1). Auf der Roten Liste steht sie in Kategorie 1 (vom Aussterben bedroht) (Segerer et al. 2022). Sie ist nur in trockenwarmen Lebensräumen zu finden. Die Falter besuchen Blüten, werden aber nur selten beobachtet. Die Wirtspflanzen der Raupen sind der Faulbaum (Frangula alnus) und der Echte Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) (Bartsch 1997). Auf der Südlichen Frankenalb und entlang von Lech und Isar kommt mit dem Felsen-Kreuzdorn (Rhamnus saxatilis) eine weitere potenzielle Wirtspflanze vor (SNSB 2024), die für Bayern noch nicht belegt ist. Es werden nur wärmebegünstigte, gut besonnte Sträucher genutzt. Die Raupe, deren Entwicklung wahrscheinlich zwei Jahre dauert, frisst im Holz unter der Rinde einen Gang im Wurzelhalsbereich knapp unter der Bodenoberfläche. Als Nahrung dient vermutlich der zuckerreiche Pflanzensaft und nicht das Holzgewebe selbst. Zur Verpuppung baut die Raupe eine Röhre aus Genagsel und Seide, die über die Bodenoberfläche reicht und aus der später der Falter schlüpft (Bartsch 1997). Diese Schlupfröhren sind arttypisch und gut für den Nachweis der Art geeignet (siehe unten).

Abbildung 1: Männchen des Faulbaum-Glasflüglers (Synanthedon stomoxiformis). Regensburg, Juni 2024. Foto: Markus Dumke.

Ein Hauptgrund für die Gefährdung des Faulbaum-Glasflüglers ist der Nährstoffeintrag in seine Lebensräume (Eutrophierung), die zu einer höheren Vegetation führt und damit das warme Mikroklima am Fuß der Wirtssträucher beeinträchtigt. Ein weiterer ist die teilweise zu rigorose Pflege von Magerrasen durch den Naturschutz, wenn bei Entbuschungsmaßnahmen auch die Brutsträucher des Glasflüglers entfernt werden (Bittermann 1997, Segerer et al. 2022).

Der Faulbaum-Glasflügler ist in allen bayerischen Regierungsbezirken nachgewiesen. In Nordbayern sind Vorkommen auf der Südlichen, Mittleren und Nördlichen Frankenalb bekannt. Außerdem wurde sie im Obermainischen Hügelland, in der Umgebung von Rothenburg ob der Tauber (Hohenloher und Haller Ebene) und auf den Mainfränkischen Platten gefunden (Bittermann 1997, Arbeitsgruppe Schmetterlinge Deutschlands 2024). Aktuelle Funde liegen aus der Mittleren und Nördlichen Frankenalb sowie aus Unterfranken vor. Im nördlichen Unterfranken konnten durch gezielte Suche nach den Schlupfröhren einige zuvor unbekannte Vorkommen entdeckt werden (Arbeitsgruppe Schmetterlinge Deutschlands 2024, ABE 2024). Es ist wahrscheinlich, dass durch diese Methode weitere neue Nachweise erbracht werden könnten, v.a. in der Südlichen und Mittleren Frankenalb. Denkbar sind auch Vorkommen in Mittelwäldern. Aus Südbayern gab es, seit die Art dort 1790 von Jacob Hübner erstmals für die Wissenschaft beschrieben wurde (Friedberg bei Augsburg), über 200 Jahre lang keine Nachweise. 2010 und 2018 wurde der Faulbaum-Glasflügler dann in den Donauauen bei Ingolstadt erstmals wieder in Bayern südlich der Donau gefunden. Als Lebensraum dient dort eine sogenannte Brenne (Morawietz et al. 2019). So werden in Altbayern und Schwaben offene, trockenwarme Habitate innerhalb der Auwälder entlang der großen Flüsse bezeichnet. Möglicherweise kann die gezielte Nachsuche auf Brennen an Donau, Lech und Isar weitere Nachweise der Art bringen.

Geeignete Nachweismethoden für Synanthedon stomoxiformis sind die Anlockung der männlichen Falter mit künstlich hergestellten Pheromonen (Sexuallockstoffen) und die Suche nach den Schlupfröhren. Zur Anlockung mit Pheromonen bringt man an warmen, sonnigen Tagen spezielle Fallen mit dem entsprechenden Lockstoff an Hecken oder Sträuchern in den vermuteten Lebensräumen aus und hält vor Ort nach anfliegenden Faltern Ausschau. Hierfür kann z.B. das „myo“-Pheromon verwendet werden, das eigentlich für den Apfelbaum-Glasflügler (Synanthedon myopaeformis) konzipiert ist, aber auch den Faulbaum-Glasflügler anlockt (Pühringer 2024). Der Nachteil der Methode ist, dass die Flugzeit der Falter zwischen Mai und Juli (Bartsch 1997) regional und je nach Witterungsverlauf variiert und der passende Zeitraum zum Nachweis ohne Vorerfahrung leicht verpasst werden kann.

Die Suche nach den Schlupfröhren kann dagegen ganzjährig erfolgen, da diese nur langsam verwittern und auch noch lange nach dem Schlupf des Falters gefunden werden können. Sofern man die Wirtsgehölze auch ohne Laub erkennen kann, ist die Suche im Winter an milden Tagen zu empfehlen. Dann ist der Unterwuchs weniger dicht, was die Suche erleichtert. Zudem fehlen „störende“ Insekten wie Ameisen. In Gebieten mit hoher Populationsdichte von S. stomoxiformis ist das Erkennen der Sträucher meist schwieriger als die anschließende Suche nach den Schlupfröhren. Zunächst sucht man nach möglichst warmstehenden Faulbäumen oder Kreuzdornen, z. B. an südlich ausgerichteten Hecken, Böschungen oder Trockenmauern. Diese sollten keinen dichten Unterwuchs aufweisen. Eine niedrige und lockere Gras- oder Krautschicht ist nicht hinderlich, am besten ist jedoch eine offenliegende Moosschicht (Abb. 4 + 5). Auch Sträucher, die in Kalkscherben- oder Geröllfluren wachsen, können befallen sein. Die nachrutschenden Steine erschweren an solchen Standorten jedoch die Suche.

Abbildung 2: Frische, noch geschlossene Schlupfröhre des Faulbaum-Glasflüglers. Münnerstadt, Dezember 2023. Foto: Maximilian Schmucker.
Abbildung 3: Zwei ältere Schlupfröhren mit Schlupfloch des Falters. Mühlbach (Bad Neustadt a. d. Saale), Dezember 2023. Fotos: Maximilian Schmucker.

Die Schlupfröhren befinden sich meist direkt an der Stammbasis der Wirtsträucher oder einige Zentimeter entfernt (Abb. 4). Sie sind zwischen wenigen Millimetern und 15 cm lang und immer ca. 1 cm dick (Bartsch 1997). Nur sehr alte Röhren sind durch die Verwitterung manchmal dünner. Frische Röhren sind rötlich braun (Abb. 2), ältere dunkelbraun oder fast schwarz (Abb. 3). Manchmal kann man die Röhren sofort wenige Zentimeter aus der Moos- oder Streuschicht ragen sehen. Die Erfolgsquote ist allerdings deutlich höher, wenn man diese Schicht vorsichtig entfernt (im Umkreis von ca. 10 cm um die Stammbasis). Moose sollten aus Rücksicht auf andere (überwinternde) Insekten und Kleintiere danach wieder zurückgelegt und leicht angedrückt werden. Oft sind an einem Strauch mehrere Schlupfröhren zu finden. Hat man durch visuelle Suche eine Schlupfröhre gefunden, kann man sich auch die haptische Beschaffenheit einprägen. Die Röhren sind sehr zäh und elastisch, fast gummiartig. So kann man die Röhren an schwer einsehbaren Stellen ertasten, z.B. wenn sich auf der hinteren Stammseite eine Hecke befindet. Man sollte darauf achten, keine frischen Schlupfröhren (ohne deutliches Schlupfloch) zu entfernen, da sich darin noch Raupen befinden können bzw. die Röhren noch weiter ausgebaut werden. Eine gute Anleitung für den Einstieg in die Schlupfröhrensuche gibt Toni Kasiske in diesem Video: Die Suche nach dem Faulbaum-Glasflügler (Synanthedon stomoxiformis) im Winter – YouTube.

Abbildung 4: Zwei Schlupfröhren an der Basis eines mehrstämmigen Faulbaums. Die Moosschicht wurde teilweise entfernt. Münnerstadt, Dezember 2023. Foto: Maximilian Schmucker.
Abbildung 5: Habitat von Synanthedon stomoxiformis mit besetztem Faulbaum in einem ehemaligen Steinbruch. Münnerstadt, Dezember 2023. Foto: Maximilian Schmucker.

Literatur

ABE [Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Entomologen] (2024): Schmetterlinge in Bayern. https://www.schmetterlingebayern.de/, abgerufen am 17.09.2024.

Arbeitsgruppe Schmetterlinge Deutschlands (2024): Die Schmetterlinge Deutschlands. Verbreitungskarte Kreuzdorn-Glasflügler (Synanthedon stomoxiformis (Hübner, 1790)). https://www.schmetterlinge-d.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=440126, abgerufen am 17.09.2024.

Bartsch, D. (1997): Synanthedon stomoxiformis (Hübner, 1790) – Faulbaum-Glasflügler (S. 101-105). In G. Ebert [Hrsg.]: Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Bd. 5: Nachtfalter III. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. 575 S.

Bittermann, J. (1997): Beitrag zur Kenntnis der Bionomie, Verbreitung und Gefährdung des Faulbaum-Glasflüglers Synanthedon stomoxiformis (HÜBNER, 1790) in Bayern (Lepidoptera: Sesiidae). Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 2: 131-139.

Morawietz, B., Gottschaldt, K. & Frankenhauser, T. (2019): Bemerkenswerte rezente Sesiidae-Funde in Bayern mit einigen verhaltensbiologischen Beobachtungen (Lepidoptera, Sesiidae). Nachrichtenblatt der bayerischen Entomologen 68 (1/2): 26-35.

Pühringer, F. (2024): Pheromone attraction of clear wing moths (Lepidoptera: Sesiidae). https://www.sesiidae.net/pheromon.htm, abgerufen am 17.09.2024.

Segerer, A. H., Grünewald, T., Haslberger, A., Morawietz, B. & Wolf, W. (2022): Rote Liste und Gesamtartenliste Bayern – Kleinschmetterlinge – Lepidoptera, Teil I: Wicklerartige bis Zünslerfalter: Tortricoidea bis Pyraloidea. Herausgegeben vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU).

SNSB [Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns] (2024): Rhamnus saxatilis Jacq. Felsen-Kreuzdorn. Steckbriefe zu den Gefäßpflanzen Bayerns. https://daten.bayernflora.de/de/info_pflanzen.php?taxnr=4805&suchtext=&g=&de=&prev=prev#name=4805,yearGrouping=1,map=7/48.785/11.360, abgerufen am 07.09.2024.