Schlagwort-Archive: Polyommatus damon

Der Große Esparsetten-Bläuling (Polyommatus damon) und die Berg-Esparsette (Onobrychis montana) in den Allgäuer Hochalpen. Interessante Neufunde einer vom Aussterben bedrohten Art am Arealnordrand ihrer Futterpflanze in den Alpen.

Bild 1: Weibchen von Polyommatus damon, Allgäuer Hochalpen, Höfatswanne, 13.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)

Bild 2: Männchen von Polyommatus damon, Allgäuer Hochalpen, Traufbachtal, 6.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)

Am 31.07.2023 wurde auf INaturalist eine Meldung im Sperrbachtobel (Allgäuer Hochalpen) von Polyommatus damon (Großer Esparsetten-Bläuling) veröffentlicht. Dies war wohl ein Zufallsfund eines Fotografen. Die Beobachtung dürfte ein dispergierendes Männchen gewesen sein, da die Raupenfutterpflanze Berg-Esparsette Onobrychis montana (sehr lokale Verbreitung RL 2 Art) keine Nachweise in der näheren Umgebung hat.

https://www.tagfalterbayern.de/beobachtung?id=989918 /

https://www.inaturalist.org/observations/177953463

Bisher waren keine Funde der in Deutschland und Bayern vom Aussterben bedrohten Art dort bekannt, obwohl das Gebiet sehr gut kartiert ist. Aktuelle Nachweise waren davor nur aus der Südlichen Frankenalb und aus der bayerischen Rhön gemeldet.

Näheres dazu in der Veröffentlichung von Oliver Böck: https://blog.schmetterlingebayern.de/2024/02/29/gefaehrdungslage-der-streifenblaeulings-polyommatus-damon-in-bayern/ und Böck (2022).

Die nächsten Beobachtungen stammen aus Tirol (Inntal bis Landeck und aus dem Rosannatal) in gut 25 Kilometer Entfernung zu den aktuellen bayerischen Nachweisen (schriftl. Mitt. Böck, Beobachtungen auf observation.org). Im Inntal relativ weit verbreitet, dort auch in der Schweiz bis Sankt Moritz (https://lepus.infofauna.ch/carto/31081). In Vorarlberg gab es vor 1980 Sichtungen in insgesamt fünf Raumeinheiten, seitdem erfolgte kein Nachweis mehr. Sie gilt laut aktueller Roter Liste als ausgestorben (Huemer et al. 2022). Im Bundesland Salzburg kam die Art bis 1957 vor (Gros 2023). So ist sie auch außerhalb der Allgäuer Alpen in den bayerischen Nördlichen Kalkalpen nicht zu erwarten. Ob die Art bei vorherigen Kartierungen übersehen wurde, oder ob sie bedingt durch den Klimawandel erst in den letzten Jahren zugewandert ist bleibt offen. Gegen eine Zuwanderung spricht, das die Raupenfutterpflanze Onobrychis montana dort zumindest an einigen Stellen in der Alpenbiotopkartierung als häufig genannt wird, der späte Flugzeitbeginn und das äußerst steile Terrain, welches nur schwer begehbar ist.

https://observation.org/observation/222119940

https://observation.org/observation/284320628

Der Autor Herbert Stadelmann fand zusammen mit Felix Steinmeyer bei einer Nachsuche 2024 an Plätzen mit Nachweisen der Raupenfutterpflanze Berg- Esparsette insgesamt sechs Individuen der Art in zwei Gebieten, im Traufbachtal und an der Höfatswanne (Bild 1 und 2). Dies sind die nördlichsten Funde in den gesamten Alpen. Dieser spektakuläre Fund zeugt davon, das selbst bei den Tagfaltern durch wissenschaftliche Nachsuchen noch bedeutende Neufunde in den Bayerischen Alpen getätigt werden können. Anbei sein Manuskript zum nachlesen.

Eine Nachsuche in einem benachbarten Tal (Fundort in 2,5 Kilometern Entfernung) durch Herbert Stadelmann und Felix Steimmeyer hatte Erfolg. Hier gibt es laut Dörr & Lippert (Flora des Allgäus) ein isolierten kleinen Fundort von Onobrychis montana (Berg Esparsette) auf einer Kiesbank auf 1160m im Traufbachtal verbreitet. Es konnten zwei frisch geschlüpfte Männchen von Polyommatus damon an einer Pfütze (mit Aricia spec. [artaxerxes] und Cupido minimus) beobachtet werden die an einer Pfütze saugten (Bild 3). 

Bei einer Nachsuche durch Markus Dumke und Oliver Böck am 15.8.2024 konnten lediglich die teilweise intensiv beweideten Hänge als Habitat ausgeschlossen werden. Wie in der Alpenbiotopkatierung von Michael Wecker genannt, sind die südseitigen Hänge am Trogschluss des Traufbachtals und vereinzelt Kiesbänke desselben mit der Futterpflanze bestanden. Die Habitate scheinen aber meist unbeweidete Urrasen an extrem steilen und felsdurchsetzten Stellen zu sein, teilweise mit Hangrutschungen oder alpine Kalkrasen mit Rostseggenrasen und Blaugrashalden, die nicht beweidet und sporadisch wahrscheinlich von Gemsen abgegrast werden. Auf einer kleinen Nachsuche entlang von zwei Kiesbänken konnte Onobrychis montana leider nicht festgestellt werden. Die beschriebenen Hänge waren leider zeitlich nicht zu erreichen (Bild 4).

Bild 3: Nachweis von 2 Männchen von Polyommatus damon an Mineralien saugend. Allgäuer Hochalpen, 1160m, Traufbachtal, 6.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)

Bild 4: Fundort der Berg-Esparsette (Onobrychis montana) in Alpenbiotopkartierung am Zusammenfluss der Bäche der Wasserfälle. Kein eigener Nachweis, bei zeitlich sehr begrenzter Suche. Allgäuer Hochalpen, Traufbachtobel, 1400m, 15.8.2024 (Foto: Oliver Böck)

Sonst ist Onobrychis montana nur an wenigen Stellen, um die Höfarts bekannt, was sehr steiles Gelände bedeutet. Für trittsichere und schwindelfreie Bergsteiger gibt es einen Weg zur Bivakschachtel über die Höfartswanne (Höfarts SW Flanke). Dort hat Herbert Stadelmann am 29.7.2013 Onobrychis montana (ohne Falter) flächig gesehen (Bilder 5 und 6). Beschrieben wird dies auch bei Dörr & Lippert (Flora des Allgäus).

Bild 5: Berg-Esparsette (Onobrychis montana), Allgäuer Hochalpen, Höfartswanne, 29.7.2013 (Foto: Herbert Stadelmann)

Bild 6: Fundort der Berg-Esparsette (Onobrychis montana), Allgäuer Hochalpen, Höfartswanne, 29.7.2013 (Foto: Herbert Stadelmann)

Am 13.8.24 waren Herbert Stadelmann und Felix Steinmeyer Gebietsbetreuer Allgäuer Hochalpen vom LfV auf der Suche nach Polyommatus damon an der Höfartswanne (Höfart SW) im äußerst schwierigen Gelände erfolgreich! Auf ca. 1750 m waren ca. drei Weibchen mit Eiablage und ein Männchen. Aufgrund des z.T. unzugänglichen Geländes untersuchten wir nur ein kleines Teilgebiet von 1650 bis 1750 m mit ca. 270 qm. Es bestand aus Alpinen Rasen (Blaugras-Horstseggenrasen) durchsetzt mit Jura Kalkstein, plattig bis dünnbankig z. T. mit Hornsteine > „Malm-Aptychenschichten“ (Bild 7).

Bild 7: Habitat von Polyommatus damon, Allgäuer Hochalpen, Höfatswanne, 1750m, 13.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)

Die Tiere flogen ab ca. 11 Uhr, da die Sonne ca. gegen 9:30 Uhr das Gebiet erreichte. Die Bergesparsette war Großteils verblüht oder abgebissen (wohl von Gämsen). Die Eiablage war in der Nähe vegetationsarmer Bodenplatten. Es wurden zwei Eier gefunden. Auch waren hier schwarze Ameisen (unbestimmt) sichtbar. Die Eiablage erfolgte nicht an der Verzweigung der Tragblattachseln, sondern einmal der Vegetationsmatrix an Onobrychis montana, aber auch auf dem Blatt einer anderen unbestimmten Pflanze (Bild 8).  

Bild 8: Ei von Polyommatus damon, Allgäuer Hochalpen, Höfatswanne, 1750m, 13.8.2024 (Foto: Herbert Stadelmann)

Da nur ein kleiner Ausschnitt (ca. 10% bis 20% der potentiellen Habitate) in der Höfartswanne die vegetationskundlich von Seslerion-Sippen mit Caricion ferrugineae -Elementen in der Alpenbiotopkartierung von Michael Wecker untersucht wurde, ist nun schwer abschätzbar wie groß der Lebensraum für Polyommatus damon ist. Es ist abhängig von der Verbreitung der Futterpflanze im Gebiet, wie auch der Höhenverbreitung von Polyommatus damon

Es wäre nun spannend ob auch die Art Höfart Ost (Seilhenker, Oberes Loch, Rotes Loch, Im Platt) auch vorkommt. Hier ist auch die Futterpflanze Berg-Esparsette – Onobrychis montana (häufig im „Roten Loch“ und am Fuße der Kleinen Höfats > Alpenbiotopkartierung von Michael Wecker) vorhanden und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch die Art hier anzutreffen (Bild 9).

Bild 9: Allgäuer Hochalpen, Geländeübersicht Höfarts Ost mit Nachweisen von Onobrychis montana. 10.7.2016 (Foto: Herbert Stadelmann)

Das Gelände ist nicht ganz so gefährlich wie auf der andere Seite. Erreichbar über Oytal Käser-Alpe.

Weitere Infos zur Futterpflanze Berg-Esparsette – Onobrychis montana

https://daten.bayernflora.de/de/info_pflanzen.php?taxnr=3911&suchtext=montana&g=&de=

Verbreitung von Polyommatus damon (Großer Esparsetten-Bläuling) in Bayern

https://www.tagfalterbayern.de/art?art=Polyommatus%20damon

Bitte sehr umsichtig sich im sehr steilen Gelände bewegen, da alpine Gefahren nicht zu unterschätzen sind (Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind unbedingte Vorraussetzung).

Literatur:

Böck O. (2022): Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 21: 45–53. Der Streifenbläuling (Polyommatus damon) ([Denis & Schiffermüller], 1775) im Landkreis Rhön-Grabfeld – Aktuelle Bestandsentwicklung und Gefährdungslage, sowie Neuigkeiten zur Phänologie und Ökologie der Art (Insecta: Lepidoptera: Rhopalocera).

Gros, P. (2023): Rote Liste der Tagfalter Salzburgs – Evaluierung des Gefährdungsstands der in Salzburg nachgewiesenen Tagfalterarten, Datenstand 2021 – Naturschutzbeitrag 45/23: S 1-74

Huemer, P., Rüdisser, J., Hiermann, U., Lechner, K., Mayr, T., Ortner, A. & Friebe, J. G. (2022): Rote Liste gefährdeter Schmetterlinge Vorarlbergs (Neubearbeitung). – Rote Listen Vorarlbergs, 11: 210 S.; Dornbirn (inatura).

Gefährdungslage der Streifenbläulings (Polyommatus damon) in Bayern

Streifenbläuling Kopula, Landkreis Rhön-Grabfeld, 23. Juli 2021 (Foto: Ingrid Langer)

Streifenbläuling Raupe, Landkreis Rhön-Grabfeld, 3. Juni 2017 (Foto: Markus Dumke)

Der Streifenbläuling (Polyommatus damon) kam in Bayern nur noch in der Rhön und mit einer sehr kleinen Population auf der Südlichen Frankenalb im Gailachtal vor ( Dort sind Rückgänge zu verzeichnen). Nun konnte die Art durch Herbert Stadelmann an zwei Stellen in den Allgäuer Hochalpen beobachtet werden. Die Art fliegt dort auf extrem steilen und felsendurchsetzten Blaugrashalden. Da die Raupenfutterpflanze Berg-Esparsette (Onobrychis montana) in Bayern am nördlichen Arealrand äußerst lokal nur an vier Fundorten vorkommt, ist dieser Neufund von Polyommatus damon von äußerst großer Bedeutung.

Näheres dazu in der Veröffentlichung von Herbert Stadelmann: https://blog.schmetterlingebayern.de/2024/08/17/der-grosse-esparsetten-blaeuling-oder-streifenblaeuling-polyommatus-damon-im-allgaeu-noerdlichster-fundort-in-den-alpen/

In der Südlichen Frankenalb in den letzten Jahren meistens nur Einzeltiere auch 2024 am Blauberg bei Mörnsheim, keine neueren Funde mehr auf der Tagmersheimer Leite und anderen Flächen bei Mühlheim. Vorkommen sind an esparsettenreiche lückige Magerrasen gebunden, teilweise wird auch Streu von den Raupen toleriert. Im Landkreis Rhön-Grabfeld ist bei Ostheim v. d. Rhön noch eine halbwegs stabile Metapopulation erhalten. Dabei finden sich aber nur noch auf einer der drei Flächen Individuenzahlen im zweistelligen Bereich, Wie Vergleichswerte aus den letzten 10 Jahren zeigen, ist diese aber durch unsachgemäße Pflegemaßnahmen vor allem am Weyhershauk (Koppelbeweidung) deutlich zurückgegangen. Nur am Kleinen Lindenberg kann sich durch die optimale Pflege (Mahd während des Puppenfensters) des Gipfelplateaus durch die Modellflug Interessensgemeinschaft die größte Population auf einem mittleren zweistelligen Individuenzahlniveau halten.Die Sandesparsette (Onobrychis arenaria) ist dort mittlerweile wieder deutlich häufiger vorzufinden. Kleinere Einzelvorkommen werden bei Oberelsbach und Weisbach beobachtet. Bei Oberelsbach, der damals größten Population (Foto des Habitats am Südhang zeigt die Optimalsituation 2012), war in den letzten zehn Jahren ein sehr starker Individuenrückgang zu verzeichnen, der ebenfalls auf eine Koppelung der Flächen zurückzuführen ist. Aktuell (2024) scheint sich die dortige Situation durch ein Artenhilfsprogramm wieder deutlich zu verbessern. Bei Weisbach handelt es sich um einen großen gemähten Hang. Dort werden nur die steilsten Bereiche am Oberhang besiedelt unter anderem Brachen die mit Steinschutt durchsetzt sind. In beiden Habitaten sind Individuendichten im niedrigen zweistelligen Bereich zur Hauptflugzeit zu finden. Aktuell (2023) ein Einzelfund bei Mittelstreu. Alle anderen gut besiedelten Gebiete entlang der Streu, der Fränkischen Saale und der Els sowie bei Herbstadt sind in der Zwischenzeit erloschen. In heißen Sommern auch durch Vertrocknung der Esparsetten (Onobrychis arenaria oder viciifolia) bedroht. Beweidung nur im Puppenfenster, sehr zeiitig im Frühjahr oder unter der Aussparung von gewissen rohbodenreichen und lückigen Stellen, Schaffung von Rohbodenstellen, das aussäen von Samen der Raupenfutterpflanze und die Entbuschung von Flächen müssen in die Pflege integriert werden. Keine Koppelbeweidung, nur bei äußerst verbuschten Flächen in der Nähe von aktuellen Habitaten. Der drastische Rückgang der letzten Jahre konnte vorerst gestoppt werden, aber die Art ist weiterhin in der Bayerischen Rhön akut vom Aussterben bedroht. In der Thüringischen Rhön Wiederfunde in diesem Jahr, nachdem die letzten Daten von 2018 stammten. Starkes Aussterberisiko, so zum Beispiel in jüngerer Zeit in Ungarn und Tschechien nicht mehr gefunden.

Zur Verbreitung des Streifenbläulings in Bayern

Lebensraum des Streifenbläulings, Landkreis Rhön-Grabfeld, 18. Juli 2012 (Foto: Oliver Böck)