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Die Berghexe (Chazara briseis) in den Landkreisen Eichstätt und Neuburg-Schrobenhausen. Gefährdungsursachen, Aussterbeprozesse sowie Sofortmaßnahmen zur Erhaltung einer dort früher häufigen und weit verbreiteten Art.

Bild 1: Berghexe Männchen, Eichstätt, 21. Juli 2022 (Foto: Thomas Netter)

Bild 2: Berghexe Weibchen, Gailachtal, 19. August 2021 (Foto: Norbert Dippold)

Summary: Chazara briseis is the characteristic species of rocky, stony, rough-soil nutrient-poor grasslands with patchy swards, usually dominated by sheep’s fescue (Festuca ovina agg.). These were found in large numbers along the river valleys in both districts. In the district of Neuburg-Schrobenhausen, these were stony calcareous grasslands in the Ussel valley and along the Danube, there was also an populations on larger sites called Brennen (open, dry floodplain sites alongside rivers.They are formed when a river deposits gravelly debris) that were still grazed at that time intensively. Slopes along the Altmühl, Anlauter, Gailach, in the Morsbachtal, in the Riedenburger Schambachtal and in the Wellheimer Trockental in the district of Eichstätt were or are still currently colonised. There are also occurrences in the quarry areas above Eichstätt and in the Gailach valley. Bachmann (1912) and Knörzer (1918), who described the species as a characteristic animal of the Eichstätt region, can be cited to indicate the former abundance of the species. Gauckler (1960) also refers to the species in the Jurassic Rock Heaths. In this article, the extinction processes and population declines of the former and current populations are precisely reconstructed, the various causes of endangerment are explained and the current population situation is presented on the basis of literature references, the authors own observations and data from the Butterflies in Bavaria portal. Information on immediate measures to help the species is also provided.

Chazara briseis ist die Charakterart felsiger, steiniger, rohbodenreicher Magerrasen mit lückiger Grasnarbe, die meist von Schafschwingel (Festuca ovina agg.) dominiert wird. Diese fanden sich in den beiden Landkreisen in großer Anzahl entlang der Flusstäler. Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen waren das steinige Kalkmagerrasen im Usseltal und entlang der Donau auch auf größeren damals noch beweideten Brennenstandorten. Hänge entlang der Altmühl, Anlauter, Gailach, im Morsbachtal, im Riedenburger Schambachtal und im Wellheimer Trockental im Landkreis Eichstätt waren oder sind noch aktuell besiedelt. Daneben noch Vorkommen in den Steinbruchgebieten oberhalb Eichstätts und im Gailachtal. Um die frühere Häufigkeit der Art zu nennen können Bachmann (1912) und Knörzer (1918) zitiert werden, der die Art als Charaktertier der Eichstätter Gegend bezeichnete. Auch Gauckler (1960) bezieht sich auf die Art in den Jurafelsheiden. Im vorliegenden Beitrag werden anhand von Literaturangaben, eigenen Beobachtungen und Daten aus dem Portal Schmetterlinge in Bayern die Aussterbeprozesse und Bestandsrückgänge der ehemaligen und aktuellen Vorkommen genau rekonstruiert, die verschiedenen Gefährdungsursachen erläutert und die aktuelle Bestandssituation dargestellt. Zudem werden Angaben für sofortige Artenhilfsmaßnahmen erläutert.

Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen verschwanden die zuerst von Müller (1976) genannten Funde in der weiteren Umgebung von Neuburg an der Donau durch Aufgabe der Beweidung (Königsdorfer 1996). In Thöny (1995) wird auch eine Brenne an der Donau mit Nachweis von 1975 gemeldet, dort sicher auch durch Aufgabe der intensiveren Beweidung verschwunden. Im Wellheimer Trockental gab es bei Hütting noch eine Einzelbeobachtung 1996. Eventuell handelt es sich dabei um einen dispergierenden Falter von der damals noch auf 50 Exemplare geschätzten Population bei Trugenhofen (Königsdorfer 1997), da die Habitate damals schon zu kleinflächig für Chazara briseis waren. Die Vorkommen im Usseltal scheinen leider durch Isolation und durch die zu extensive Beweidung der Flächen außerhalb der Kernfläche am Mantelberg erloschen zu sein. Von dort stammt der Letztnachweis von 2008. Die Fläche selbst erscheint auch heute noch als Habitat geeignet, die Nutzung ist seit der letzten Beobachtung gleich geblieben und seit den Beobachtungen von Königsdorfer haben Flächenerweiterungen stattgefunden. Es handelt sich um eine Koppelweide mit Schafen, Ziegen und Pferden mit großen Schotterflächen (Abb. 3).

Bild 3: Ehemaliges Habitat der Berghexe am Mantelberg bei Trugenhofen, Foto wurde am Tag des Letztnachweises erstellt. 7. August 2008 (Foto: Oliver Böck).

Die weitaus meisten Meldungen stammen aus dem Landkreis Eichstätt. Zuerst verschwand Chazara briseis an der Altmühl bei Beilngries am Arzberg und bei Dollnstein, dann im Riedenburger Schambachtal, von wo die letzte Meldung aus dem Jahr 1973 vom Kreutberg bei Altmannstein stammt. Im Anlautertal bei Titting wurde Chazara brisies noch bis 2003 nachgewiesen. Funde gelangen sowohl in den Schotterfeldern des Galgenberges als auch in den fels- und kalkscherbenreichen Bereichen des Vogelherdes (Abb. 4). Die Art konnte sich dort so lange halten, weil ein guter Habitatverbund mit großflächigen Magerrasen sowohl vor Ort als auch entlang der Anlauter aufwärts im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen bei Bechthal bestand. Dort konnte sie 2009 noch an zwei Hängen nachgewiesen werden. Auch hier ist die Änderung der Beweidungsintensität als Hauptursache für das Aussterben in den beiden benachbarten Gebieten zu nennen. Inzwischen werden diese Flächen nach einer Umstellung wieder mehrfach in engem Gehüt beweidet, eine Wiederbesiedlung ist bisher leider nicht erfolgt. Überraschend ist ein Wiederfund in einem Seitental der Anlauter (Morsbachtal) (Abb. 5). In den letzten Jahren gab es immer wieder Einzelbeobachtungen. Durch Pflegemaßnahmen (Entbuschung) des LPV Eichstätt konnten die Habitatflächen vergrößert und eine bessere Vernetzung zwischen den einzelnen Teilflächen erreicht werden. Die Flächen werden auch wieder intensiver beweidet. Der Bestand ist akut vom Aussterben bedroht, Schutzmaßnahmen kommen vermutlich zu spät.

Bild 4: Ehemaliges Habitat am Vogelherd bei Titting, dort zuletzt 2003. 3. September 2014 (Foto: Oliver Böck)

Bild 5: Teilausschnitt des Habitats im Morsbachtal zu Beginn der ersten Pflegemaßnahmen, 4. August 2017 (Foto: Oliver Böck)

Im Gailachtal gibt es eine aktuell kurz vor dem Erlöschen stehende Population, für die bei Mörnsheim und Mühlheim langjährige Beobachtungen vorliegen, die den Rückgang detailliert dokumentieren. In den umliegenden Steinbrüchen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen gelangen bis Mitte der 2000er Jahre immer wieder Einzelnachweise, wobei an beiden Standorten Anfang (Mörnsheim/Blauberg) bis Mitte (Mühlheim/Lorenzberg) der 2000er Jahre über 50 bis 100 Individuen nachgewiesen werden konnten. Danach ging die Beweidungsintensität zuerst in Mörnsheim zurück. Am häufigsten wurde die Art am südostexponierten Felshang unterhalb der Aussichtsbank oberhalb der Ortschaft beobachtet. In den letzten Jahren gelangen nur noch sporadische Einzelnachweise. Zuletzt wurden dort 2008 mehrere Tiere gefunden. Im Steinbruch auch davor meist nur Einzeltiere. In Mühlheim dienen drei Bereiche als Reproduktionshabitat, ein Holzlagerplatz, der flachere südwestexponierte und der steile südostexponierte Hangteil des Lorenzberges mit den angrenzenden Steinbruchhalden. Am Südwesthang wurde seit Anfang der 2010er Jahre keine Chazara briseis mehr nachgewiesen. Der Holzlagerplatz (Abb. 6), auf dem in den 2000er Jahren immer zwischen 10 und 30 Individuen gefunden wurden, eutrophierte Anfang der 2010er Jahre zusehends und es wurden meist nur noch Einzelexemplare oder gar keine Beobachtungen mehr gemacht. An den steilen, felsigen Südosthang (Abb. 7 und 8) ist die Beweidung meist zu gering und die Art steht kurz vor dem Aussterben, dort in den letzten Jahren nur noch Einzelexemplare, wo in den 2000er Jahren noch hohe Individuendichten festgestellt wurden. Im Steinbruch selbst finden sich kleinflächige Habitate auf initialen Magerrasen und an den Übergängen von Halden zu Magerrasen, die in den letzten Jahren vermutlich wesentlich zum Überleben der Art beigetragen haben. Zuletzt konnten 2016 am Lorenzberg mehr als 10 Exemplare der Art nachgewiesen werden.

Bild 6: Habitat Holzlagerplatz, Lorenzberg Mühlheim 23. August 2013 (Foto Oliver Böck)

Bild 7: Intensive Beweidung am Lorenzberg Südosthang als Pflegemaßnahme. damals dreimalige Beweidung in engem Gehüt. 31. Juli 2010 (Foto Thomas Netter)

Bild 8: Zu extensive zweimalige Hütebeweidung am Lorenzberg Südosthang, einer der Gründe für den starken Rückgang der Art. 23. Juli 2016 (Foto Oliver Böck)

Rund um die Stadt Eichstätt kam die Art auf zahlreichen Flächen sowohl in den Steinbrüchen bei Wintershof als auch in den steinigen Magerrasen oberhalb der Stadt vor. Nachdem die Nachweise aus dem Steinbruch Winterhof nach 2008 nur noch sporadisch gelangen (letzter Nachweis 2018), konnte 2014 ein Weibchen auf einer für die Art untypischen Fläche mit Vorkommen der Bergkronen-Widderchens (Zygaena fausta) gefunden werden. Diese Beobachtung und weitere Meldungen veranlassten den Autor, potentielle Habitate genauer zu untersuchen. Er fand eine kleine Population am Haselberg (Abb. 10) und kurz darauf eine Population mit über 30 Individuen am Doktorberg (Abb. 11). Diese Population war bis 2022 sehr stabil und es konnten zeitweise über 40 Individuen gezählt werden (Abb. 9). Die Tiere unterscheiden sich in der Zeichnung von den anderen Populationen in Bayern. Die Färbung erscheint bunter mit einem fast goldenen Farbton (Abb. 1 und 12). Dies scheint mit der anderen Farbe des Gesteins (höherer Tongehalt) dort zu korrelieren. Leider kam es 2023 zu einem Bestandseinbruch, es konnten nur noch maximal fünf Individuen beobachtet werden. Die Gründe dafür dürften in einer deutlichen Verkleinerung der Habitatflächen liegen. Chazara briseis flog 2014 noch auf einer zwei- bis dreimal so großen Fläche wie die aktuellen Funde, die sich auf einen sehr kleinen Bereich im westlichen Teil des steinigen und dort intensiv beweideten Südhanges konzentrieren. Alle anderen ehemals besiedelten Flächen sind aufgrund der höheren Vegetation für die Art nicht mehr geeignet. Vermutlich spielen hier die erhöhten Stickstoffeinträge eine Rolle, die zu einer Bromisierung bzw. Vertrespung der Habitate führen. Auch hier besteht inzwischen ein sehr hohes Aussterberisiko.

Bild 9: Anzahl der maximal beobachteten Imagines am Doktorberg pro Jahr. Jahre 2019 und 2020 nicht gewertet, da zur Hauptflugzeit kein Besuch der Habitatflächen.

Bild 10: Habitat am Haselberg bei Eichstätt, 18. August 2014 (Foto Oliver Böck)

Bild 11: Habitat am Doktorberg bei Eichstätt, 18. August 2023 (Foto: Oliver Böck)

Bild 12: Berghexe Weibchen, Eichstätt Doktorberg, 20. August 2021 (Foto: Thomas Netter)

Chazara briseis ist im Untersuchungsgebiet in den letzten 20 Jahren sehr stark zurückgegangen und steht dort kurz vor dem Aussterben. Als Hauptgründe gelten die Abnahme der Beweidungsintensität, die Sukzession und damit das Einwachsen von Kalkscherben in die Vegetation, sowie das verschwinden von Rohbodenstellen. Das Mikroklima der Lebensräume verändert sich und ist für die Art nicht mehr geeignet. Zudem führt die Vertrespung der Magerrasen durch Stickstoffeinträge zu einem schnelleren Aufwuchs und einer Veränderung des Vegetationsbildes. Die Aufrechte Trespe (Bromus erectus) dominiert inzwischen viele Kalkmagerrasen, die zunehmend verfilzen. Als akute Sofortmaßnahmen für den Lorenzberg sollte eine Beweidung in engem Gehüt drei- bis viermal im Jahr erfolgen und über rohbodenöffnende Maßnahmen entlang der Hangkante, der Plateauflächen und des Holzlagerplatzes nachgedacht werden, um die Habitatflächen wieder zu vergrößern. Der erste Weidegang sollte spätestens Mitte Mai erfolgen, um dem Aufwuchs entgegenzuwirken. Alternativ könnte am Steilhang eine temporäre Ziegenkoppel mit geringer Besatzdichte, mit einem Nachtpferch außerhalb der Fläche eingerichtet werden. Gleiches gilt für den Ober- und Mittelhang des Doktorberges. Die Habitatfläche muss wieder vergrößert werden, wobei Maßnahmen zur Öffnung des Rohbodens bei Verfilzung der Flächen zu diskutieren sind. Ein Nachzuchtprogramm scheint heute für die Erhaltung der Art unerlässlich zu sein. In Tschechien konnte die Art dadurch an mehreren Stellen wieder etabliert werden (Sucháčková Bartoňová et al. 2021). Auf beiden Flächen ist ein drei- bis viermaliges Monitoring pro Jahr erforderlich. Dies soll auch im Morsbachtal erfolgen, um die Populationsgröße genauer zu bestimmen. Bei Trugenhofen und Titting kann bei erfolgreicher Erhaltungszucht an eine Wiederansiedlung der Art gedacht werden. Die Pflege ist inzwischen wieder auf Chazara briseis abgestimmt. Meldungen an das Portal Schmetterlinge in Bayern sind gerne erwünscht.

Literatur:

Bachmann, M. (1912): Beobachtungen über blütenbesuchende Insekten in der Eichstätter Alp. – Mitteilungen der Münchner Entomologischen Gesellschaft 003: 14-16.

Gauckler, K. (1960): Die Schmuckwanze Eurydema f. fieberi Fieber in der Felsheide der Frankenalb. – Nachrichtenblatt der bayerischen Entomologen 9(11): 105-111.

Knörzer, A. (1918): Beiträge zur Kenntnis der mittelfränkischen Insektenfauna. Beilage Wissenschaftliche Beilage zum Jahresberichte der katholischen Universität Eichstätt 1917/18. 1-15.

Königsdorfer, M. (1997): Die Berghexe (Chazara briseis L. Satyridae) in Schwaben und angrenzenden Gebieten – Berichte des naturwiss. Vereins für Schwaben, Augsburg – 101: 69 – 87.

Müller , R. (1976): Die Tagfalter aus den Beobachtungsgebieten Augsburg – Donauwörth – Neuburg/D. Eichstätt – Dollnstein – Mühlheim.

Sucháčková Bartoňová, A.; Konvička, M.; Marešová, J.; Bláhová, D.; Číp, D.; Skala, P.; Andres, M.; Hula, V.; Dolek, M.; Geyer, A.; Böck, O.; Kadlec, T.; Faltýnek Fric, Z. (2021): Extremely Endangered Butterflies of Scattered Central European Dry Grasslands Under Current Habitat Alteration. Insect Systematics and Diversity. Volume 5, Number 5 – 1-18.

Thöny, H. (1995): Beitrag zur Schmetterlingsfauna der Region Ingolstadt, Eichstätt: Dokumentation der Grossschmetterlinge von Ingolstadt und seiner Umgebung ; Festschrift 25 Jahre Entomologische Gesellschaft Ingolstadt e.V. S.256